Friedhof New York
nur, daß er mit dem Verschwinden und dem Tod Tom Sengaras zu tun hatte. Vielleicht war er sogar der Gegner, vor dem Tom diese gewaltige Furcht gehabt hatte.
Die Scheibe verzerrte die Perspektive ein wenig. Hinzu kam der Sonnenschein, der gegen das Glas fiel und diesen Unbekannten aussehen ließ, als würde er sich zitternd bewegen.
Obwohl durch Mauern getrennt, spürte die alte Frau diese mächtige Kraft, die in der Person steckte. Sie war ein Zerrbild des Normalen, sie kam nicht von ihm, er hatte sie mitgebracht, und immer stärker merkte sie, daß seine Gedanken und Gefühle ihr wie eine böse Folter entgegenwehten, um sie in seinen Bann zu bringen.
Die beiden Männer hatten davon noch nichts bemerkt. Sie hielten sich hinter Elisa auf, aber sie hörten plötzlich, wie sie leise aufstöhnte, dann zusammenzuckte und nach rechts wegkippte, weil ihr durch diese Bewegung der Halt fehlte.
Bevor sie zu Boden fallen konnte, war Suko da und fing sie auf. Zitternd lag sie schräg gegen seinen Arm gestützt. Von oben her schaute der Inspektor in ein wächsernes Gesicht, das ebensogut das einer Toten hätte sein können. Der Mund stand offen. Er bewegte sich zuckend, wenn sie unregelmäßig Luft holte. In den Augen stand die kalte Angst.
Chato war mit einem gleitenden Schritt heran. »Was hat sie?« fragte er.
Suko hob die Schultern. Die Antwort gab Elisa Markham selbst.
»Draußen… gegenüber… auf der anderen Seite. Da… da ist jemand gewesen. Ein schwarzer Mann. Er war grauenhaft… er hat nichts getan, nur gestanden, aber er schaute rüber. Der Hut, die Krempe… darunter war alles weiß und bleich…«
Mehr hatte sie nicht zu sagen brauchen. Mit einem Sprung hatte Chato das Fenster erreicht, blickte hinüber – und sah nichts. Der schwarze Mann war verschwunden. Auf der Straße lief nur der normale Betrieb ab, das war alles.
Um sicherzugehen, riß er das Fenster auf, beugte sich hinaus, schaute in die verschiedenen Richtungen, aber von einem Mann in Schwarz war nichts zu sehen.
Er schloß das Fenster wieder.
Suko hatte die Frau wieder auf einen Stuhl gedrückt. Dort blieb sie hocken, hielt sich an der Tischkante fest und sprach mehr mit sich selbst. »Ich spürte den Anflug des Todes. Er traf mich. Es war ganz anders als bei meinen Karten. Ich habe dort nur hin und wieder ein Prickeln bemerkt, aber jetzt weiß ich, wie es ist, wenn ich vom Jenseits gestreift werde. Ja, das weiß ich nun.«
Chato nickte Suko zu. »Das muß Jericho gewesen sein. Es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Meine ich auch.«
»Das heißt, er hält uns unter Kontrolle. Was aber nicht bedeuten muß, daß wir unsere Pläne ändern. Wir sollten nur von hier verschwinden, ich möchte nicht, daß Elisa etwas passiert.«
Mrs. Markham hatte zugehört. »Ich bin alt«, sagte sie. »Es spielt keine Rolle, wann ich sterbe.«
»Für uns schon«, erklärte Suko. »Es gibt einfach zu wenige sympathische und hilfsbereite Menschen auf unserem Globus. Tom Sengara hat uns als Warnung gereicht.«
»Was könnte mit meinem Tod schon erreicht werden?« fragte Elisa.
Chato bückte sich und hauchte ihr einen Kuß auf die Stirn. »Nichts würde damit erreicht, aber um so etwas kümmern sich Wesen wie dieser Jericho leider nicht. Für ihn gelten Menschenleben leider nichts. Wir wissen es und werden deshalb versuchen, ihn zu stellen.«
Elisa Markham hatte noch viele Fragen. Nicht eine konnte sie stellen, denn ihre beiden Besucher hatten die Wohnung lautlos wie zwei Schatten verlassen…
***
Es war für Suko und Chato ein Weg, der ihnen mit unsichtbaren Hindernissen bespickt vorkam. Sie konnten sich nie normal bewegen.
Immer wieder rechneten sie mit einem Angriff, schauten sich um, denn sie spürten die Anwesenheit der Feinde oder des großen Feindes, der sich in den Hinterhalt zurückgezogen hatte und dort lauerte.
Ihr Ziel waren die Wohncontainer, in denen die Arbeiter lebten, wenn die Schicht vorbei war.
Es wurde nur tagsüber gearbeitet, und die Leute fingen in den Sommermonaten sehr früh an. Entsprechend zeitig brach auch der Feierabend für sie herein. Im Winter, wenn es zu kalt war und Schnee und Eis die Bedingungen verschärften, wurde nicht gearbeitet. Es hätte einfach zu viele Unfälle gegeben.
Chato ging davon aus, daß seine Freunde alle von der Arbeit zurück waren. »Dann werden sie schlafen«, sagte er, »so war es immer schon, so wird es bleiben.«
»Und träumen«, bemerkte Suko.
»Ja, das leider auch.«
Sie waren mit dem
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