Friedliche Zeiten - Erzählung
anderes zu tun hätten, als wegen einer angeheirateten Ami-Stiefmutter andauernd nur die Gardinen zu waschen, anstatt den Sommer zu genießen, der bei dem Gestank auch ohne Gardinenwäsche nur schwer zu genießen war, und die Hausverwaltung hätte natürlich leicht durchsetzen können, daß bei uns nicht gekokelt wird, weil die Ami-Stiefmutter eben nicht mit einem Ami-Vater und Ami-Kindern in ihrer eingezäunten Ami-Siedlung wohnte, sondern mit unserem Vater und uns in unserer Siedlung, wo die Amis dann immerhin doch nicht einfach herkommen und machen durften, was sie wollten, sondern da ging es nach den Regeln von unserer Hausverwaltung, und an die müßten sogar Ami-Stiefmütter sich halten. Aus dem Grillen hinterm Haus bei den Teppichstangen würde also nichts werden. Und wenn der Vater manchmal davon sprach, als freier Mensch leben zu wollen, waren wir erleichtert, weil er offenbar wußte, daß eine Ami-Frau hier in der Siedlung Ärger bedeuten würde.
Nur, so dachten wir, war ihm dann bestimmt auch klar, daß weder die Ami-Stiefmutter noch seine Kinder anfangen würden, Grünebohnensuppe zu mögen, bloß damit die neue Frau Osterloh nicht Gardinen waschen müßte, und hier begann das eigentliche Dilemma: Wir vermuteten sehr stark, daß mit all den Schwierigkeiten, die da zu erwarten waren, sein Wunsch zusammenhing, als freier Mensch in einem Land zu leben, in dem es keine Gardinen gab und wo er seiner neuen Frau und den Kindern ihr Grillvergnügen lassen könnte. Und genau daran mußten wir ihn um jeden Preis hindern. Genau das ging nämlich leider nicht. Ich wußte es, Wasa wußte es, und sicherheitshalber schärften wir Flori auch ein, daß er unbedingt, wenn der Vater von Amerika und dem freien Menschen anfinge, eisern dagegen sein müsse. Flori fiel es sehr schwer, gegen Amerika zu sein, weil er im Indianeralter war, aber wir waren zwei Große gegen einen Kleinen und drohten ihm an, ihn fürchterlich zu verdreschen, wenn er auch nur ein Wort für Amerika spräche, weil es tödlich wäre, wenn wir wegen der Grillerei unserer Ami-Stiefmutter nach Amerika gingen und von Amerika aus natürlich nicht am Wochenende die Erstmutter besuchen und bei ihr Brathähnchen essen könnten, es würde sie auf der Stelle umbringen, wenn sie hörte, wir gehen nach Amerika zu den Negern und den künstlichen Sitten, und sie bleibt hier ohne uns sitzen. Und wenn es sie vielleicht nicht auf der Stelle umbringen würde, wäre es fast noch schlimmer, weil sie sich sehr schnell entschließen würde, ihre Kinder keinesfalls in ein Land ziehen zu lassen, wo offene Feuer und von Zuckerzeug verdorbene Mägen und Zähne das mindeste wären, was uns dort zustoßen würde. Die Mutter wußte natürlich genau wie alle Leute, die manchmal Zeitung lesen oder beim Friseur in Illustrierten blättern, daß die Neger dort sich längst gar nicht einmal mehr die Mühe machten, in die Wohnungen einzubrechen, sondern uns gleich bei hellichtem Tage auf offener Straße anfallen und ausnehmen und umlegen würden, und vor all dem könnte sie uns nicht retten, wenn wir in Amerika wären, und sie bliebe allein hier und würde jeden Tag auf die Nachricht warten, daß ihre Kinder auf offener Straße angefallen, ausgenommen und umgelegt worden sind. Das würde sie niemals zulassen, und davor würde sie sich und uns gründlich beschützen, Wasa und ich wußten, ohne daß wir es sagen mußten: In diesem Falle würde sie uns zur Not aus dem Bett holen und ins Auto stopfen, und wir würden uns auf dem Grund des Rheinflusses wiederfinden, da wüßte sie uns gerettet.
Wir machten uns eine Weile Gedanken, wie wir das alles verhindern könnten. Wasa sagte, nach einer Scheidung kommt man doch meistens zur Mutter, aber davon hatten wir nichts, weil dann noch immer der Vater weg war, und wenn es ihr schon ans Leben ging, daß er hier in Europa wegging und sie sich Sorgen um ihn machen mußte, weil er sich in fremder Leute Badezimmer einschloß, wo er leicht ohnmächtig werden konnte, dann würden die amerikanischen Einbrecher mit ihren Methoden ihr das Leben bestimmt nicht leichter machen.
Wenn die Mutter mit dem Stopfen fertig war, und es lief immer noch Negermusik, sagte sie oft, ich habe solche Kopfschmerzen, ich glaube, ich nehme das Auto und fahre damit an die Wand. Manchmal sagte sie, ich kann nicht mehr, am liebsten möchte ich gar nicht geboren sein, einfach nicht auf die Welt gekommen. Einige Male nahm sie dann ihre Autoschlüssel, und der Vater sagte, nun komm
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