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Friedliche Zeiten - Erzählung

Friedliche Zeiten - Erzählung

Titel: Friedliche Zeiten - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rotbuch-Verlag
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Geruch von Gegrilltem in Schwüngen vom Abendwind herübergeweht zu bekommen und die Stimmen dazu zu hören, wenn sie reden und immer dazwischen mal lachen; wir hätten im Grunde nichts gegen eine Stiefmutter gehabt, die uns abends vor dem Haus oder hinten bei den Teppichstangen auf der Wiese Würstchen grillt und von morgens bis abends mit künstlichem Zuckerzeug vollstopft; am Wochenende hätten wir mit dem Zuckerzeug kurz eine Pause eingelegt, wären zu unserer Erstmutter gefahren und hätten bei ihr Brathähnchen mit Limonade bekommen und hinterher drei Bällchen Eis, weil sie sich jedesmal extra angestrengt hätte, und sie hätte aufgepaßt mit den Brathähnchen, daß sie auch knusprige Haut bekämen, weil sie ja wußte, daß wir eine Ami-Stiefmutter hatten, die uns jeden Abend Würstchen grillt, anstatt wie die gräßliche Osterloh-Zweitmutter Grünebohnensuppe mit Fäden zu kochen, und im Prinzip wäre das also die Lösung aller unserer Probleme gewesen; ganz nebenbei hätten wir nämlich die Schottenröcke mitsamt den rutschenden Kniestrümpfen und gestopften Strumpfhosen auch noch vom Hals gehabt, weil die Ami-Mütter nichts vom Osten wußten und Stopfeier gar nicht erst kannten, sie hatten ja schließlich ihre Ami-Hosen an, grillten abends Würstchen und hörten Negermusik, statt davon und von Stopfeiern aus dem Osten krank zu werden und jung zu sterben, und es hätte im Grunde die Lösung sein können: Wir wären mit einem Schlag Westkinder geworden, aber nicht nur einfach Westkinder wie die Kinder, die wir kannten, sondern als Westkinder genau die einzige und besondere Sorte, die wir bedenkenlos sein konnten, weil die Amis ganz sicher keine Nazis gewesen waren, sondern die Deutschen von den Nazis befreit hatten. Zumindest hatten sie es versucht, wenn es auch nicht ganz geklappt hatte, weil sie solche Idioten waren, die Nazis und Nazikinder mit Kaugummis zu füttern. In der Frage der Ami-Stiefmutter waren wir also gewaltig in Versuchung, uns wieder auf die Seite des Vaters zu stellen, und von allen Ami-Stiefmüttern hätte eine Neger-Stiefmutter uns sogar am besten gefallen, weil wir eben Ostkinder waren und als Ostkinder nie mit Negerpuppen gespielt hatten, Ostkinder spielen mit Käthe-Kruse-Puppen, und inzwischen waren wir zwar aus dem Puppenalter längst raus und im Geheimnisalter, wir hatten die Negerpuppen versäumt, aber von einer Neger-Stiefmutter wären gemischte Halbgeschwister zu erwarten, und gemischte Halbgeschwister wären immer noch ziemlich dunkelbraun. Die Idee als solche gefiel uns also über die Maßen, aber trotzdem hofften wir inständig, und Wasa hat sogar einmal mit gefalteten Händen darum gebetet, daß der Vater, wenn er so auf dem Sofa lag und träumerisch an die Decke sah, von selber darauf käme, daß die Lösung mit der Ami- Stiefmutter, so ideal sie auf den ersten Blick schien, nicht klappen konnte. Nicht bei uns in der Siedlung. Wir hofften sehr, daß er gelegentlich zugehört hatte, wenn zwei Frauen im Treppenhaus standen und sich unterhielten oder beim Einkaufen in der Kassenschlange, denn wenn er da nur ein einziges Mal zugehört hatte, dann mußte er wissen, daß den Frauen bei uns in der Siedlung den lieben langen Sommer über nichts anderes übrig blieb, als alle zwei Tage auf die Leiter zu steigen, die Küchen- und Eßzimmergardinen abzunehmen, die sie frisch gewaschen erst gestern aufgehängt hatten, und heute mußten sie sie schon wieder waschen, weil die verdammten Cowboys da drüben ihre Wildwestfeuerchen machen, daß bei uns die Gardinen verkokelt stinken, und der Rauch setzt sich in die Gardinen, und wir haben dann die Arbeit davon. Wenn er bei diesen Gesprächen nur einmal zugehört hatte, mußte er wissen, daß aus dem Grillvergnügen vor dem Haus nichts werden würde, weder zur Ami-Seite hin vor dem Haus noch hinten bei den Teppichstangen auf der Wiese; bei den Teppichstangen schon gar nicht, weil nach hinten die Wohnzimmer mit den Balkons lagen, und unsere Hausverwaltung konnte zwar gegen die verdammten Cowboys nicht einschreiten und überhaupt nichts unternehmen, weil sie uns vor den Nazis gerettet hatten und jetzt bei uns saßen und kokelten und feuern durften, soviel sie wollten, aber eine einzelne Ami-Stiefmutter hätte trotzdem nicht einfach hinterm Haus bei uns anfangen können zu kokeln, daß unsere Mütter den Rauch auch noch in den Wohnzimmergardinen sitzen hätten, die Frauen in unserer Siedlung würden die Hausverwaltung anrufen und sagen, daß sie

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