Friesengold (German Edition)
definitiv auf der Stelle.«
»Eines ist jetzt doch wohl klar«, meinte Häring, der sich an diesem Tag bislang bedeckt gehalten hatte. »Der Täter kommt, soziologisch betrachtet, mit größter Wahrscheinlichkeit von außen.«
»Andererseits hat das Opfer ihn gekannt«, warf Peters ein.
»Davon gehen wir aus«, entgegnete Häring. »Dennoch sollte man die Möglichkeit eines Tricks nicht ausschließen. Der Täter, von mir aus auch die Täter, aber ich glaube nur an einen, ist ein Profi. Vielleicht kann er nicht nur mit dem Brecheisen umgehen, sondern auch mit Worten. Er hat bei Onken geklingelt und eine Geschichte erzählt.«
»Es müsste aber eine sehr gute Geschichte gewesen sein, denn Onken galt als ängstlich und auf Sicherheit bedacht«, gab Greven zu bedenken. »Trotzdem sollten wir diese Variante nicht ausschließen.«
»Angerufen hat ihn der Mörder jedenfalls nicht vor der Tat, das geht aus der Auflistung der Telekom hervor. Onken hat ohnehin kaum telefoniert«, sagte der Neue.
»Habt ihr die Liste schon abgearbeitet?«, fragte Greven.
»Gerd, wie hätten wir das in den paar Tagen schaffen sollen?«, murrte Häring.
»Gerade hat Edzard gesagt, er hätte nicht viel telefoniert«, erwiderte Greven.
»Was ist mit einem Überraschungsbesuch eines alten Schulfreundes, einer Weinseminarbekanntschaft oder einer anderen Person, die er länger nicht gesehen hat, und die daher auf unserer Liste fehlt?«, übernahm Peters erneut die Initiative. »Das würde auch erklären, warum er ihm die Tür geöffnet hat. Von dessen wahrer Absicht muss er keine Ahnung gehabt haben.«
»Natürlich, das lässt sich alles in unserem Möglichkeitsraum verorten, wie es neuerdings formuliert wird«, sagte Greven und begann, sich auf seinem Sessel hin und her zu drehen. »Aber dem entgegen steht doch der Einbruch bei Sophie von Reeten, wo unser Täter das gesucht hat, was er bei Onken nicht finden konnte. Hätte er auch sie gekannt, hätte er sicher ein zweites Mal an die Tür geklopft. Diesmal hat er sich aber für die Brechstange entschieden. Nein, ich glaube nicht, dass er sie kennt.«
»Dann muss er ihren Namen von Onken haben oder dort auf ihn gestoßen sein«, vermutete Häring.
»Auch das glaube ich nicht«, sagte Greven, hielt den Sessel an und strich sich nachdenklich über den Bart. »Wir haben keine direkte Verbindung zwischen Onken und Sophie von Reeten finden können, auf ihren Papieren ist er nicht vermerkt, auf seinen sie nicht.«
»Aber es muss ja keine direkte Verbindung sein«, setzte Peters den Gedanken fort.
»Das trifft es schon eher. Es könnte … es muss eine dritte Person geben, die beide kennt. Und diese Person ist nicht der Täter.«
»Der große Unbekannte«, maulte Häring.
»Wenn du willst«, brummte Greven.
»Es läuft also darauf hinaus, das soziales Umfeld der Frau Gräfin näher unter die Lupe nehmen.«
»Nach allem, was ich so über die Dame gehört habe, käme da eine Menge Arbeit auf uns zu«, kommentierte Peters. »Da werde ich mir wohl noch einen neuen Block besorgen müssen.«
»Wahrscheinlich«, nickte Greven. »Aber der Täter wird schneller sein als wir.«
»Was meinst du damit?«, fragte Häring und hob sich leicht aus seinem Sessel.
»Wenn Onken und von Reeten die falschen Adressen waren, könnte eine andere die richtige sein. Und die wird der Täter so bald wie möglich aufsuchen, ehe wir oder das Opfer seine Absicht ahnen. Er wird ein drittes Mal zuschlagen, diese Woche noch, vielleicht sogar heute.«
»Wir überlassen also ihm die Initiative und warten auf seine nächste Tat?«, fragte Peters überrascht.
»Ist dir diese Vorgehensweise nicht von deinem Studium her geläufig?«, fragte Greven mit ironischem Tonfall. »Da scheint aber einiges an der Uni im Argen zu liegen. Ich tippe auf den Bologna-Prozess, auf das hochgelobte Bachelor-Studium.«
Peters hob die Schultern und sah Greven irritiert an. Noch konnte er nicht alle Äußerungen seines Vorgesetzten deuten und einordnen. Häring verkroch sich hinter seinem Laptop.
»Und was machen wir bis dahin?«, fragte Peters schließlich.
»Bis dahin vertreiben wir uns die Zeit mit dem Weinhändler, mit dem illustren Freundeskreis der Frau Gräfin und mit den wenigen Schmuckstücken, die der Täter wohl doch hat mitgehen lassen. Sofern sich die Putzfrau nicht geirrt hat. Die Stücke sind sehr ungewöhnlich, ihr habt ja die Beschreibungen, so vage sie auch sind.«
Greven wandte sich dem Neuen zu und nahm Blickkontakt auf:
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