Friesengold (German Edition)
die Zahl, die das Dezimalsystem nun einmal für diesen Anlass bereithielt. Es ging um die Zäsur, die runde Geburtstage im Kopf auslösten, obwohl sich im Fluss der Zeit nichts änderte. Es war das Denken in Dekaden, das auch Historiker und Feuilletonisten beherrschte, so irrational es auch sein mochte. Die 20er Jahre. Die 50er Jahre. Die 90er Jahre. Bücher und Rückblicke trugen diese Titel, verbanden mit der Null das Ende eines historischen Zeitabschnitts und den Beginn eines neuen. Die 60er waren so, die 70er ganz anders. Selbst wenn man sich dieser durch Priestern, Pharaonen, Julius Caesar, Gregor XIII. und andere getroffenen Entscheidung über die Zählweise von Tagen, Monaten und Jahren bewusst war, konnte man sich der Magie der Null nicht ohne Weiteres entziehen.
Greven überlegte und kam auf die Idee, Mona ein Gegenangebot zu unterbreiten: »Dabei fällt mir ein, bis zu meiner Pensionierung ist es nicht mehr weit. Sofern mich mein Knie nicht schon vor der Zeit nach Hause schickt.«
»Wie kommst du jetzt denn darauf?«
»Weil ich dann wohl kaum noch Aristokratenwitwen verhören werde.«
»So ein Quatsch! Aber mal im Ernst. Das ist ja wirklich nicht mehr lange hin.«
Greven senkte langsam den Kopf und hob ihn wieder.
»Aber … was machst du denn dann den ganzen Tag?«
»Das habe ich mir noch nicht überlegt«, schmunzelte Greven.
»Sag bloß, du bist dann den ganzen Tag zu Haus?«
»Warum nicht? Ich könnte endlich einmal in Ruhe meine ganzen Platten und CDs durchhören. Die verpassten Romane lesen. Ein Kochbuch schreiben. Das wollte ich doch schon lange.«
Mona machte ein Gesicht, als hätten ihr sämtliche Galeristen der Welt gekündigt.
»Was ist mit dir?«, fragte Greven. »Geht’s dir nicht gut?«
»Doch. Mir geht’s gut. Ich hab mir das nur gerade so vorgestellt. Das ist alles.«
»Noch ist allerdings ein bisschen Zeit«, fuhr Greven fort. »Und vielleicht ist mir die viele Freizeit auf Dauer doch zu viel. Ich könnte noch ein paar Jahre als Privatdetektiv dranhängen. Oder?«
Mona nickte stumm. Er sah ihr an, dass sie mit Bildern und Szenarien hantierte, mit welchen, konnte er nur vermuten. Greven griff neben sich und hob sein Weinglas an den Mund. Ein südafrikanischer Cabernet Sauvignon, den ihm ein Schulfreund empfohlen hatte. Keine schlechte Wahl. Vor allem das kräftige Johannisbeeraroma gefiel ihm. Sicher kein schwer zu verstehender Wein, aber darauf kam es ja keineswegs immer an. Im CD-Player lief die Neue von Hellmut Hattler, die Mona kürzlich aus Oldenburg mitgebracht hatte. Aber sie war nur die Erste eines ganzen Stapels an Neuanschaffungen. Joe Lovano, Bill Frisell, Paul Motian, Der Rote Bereich und andere warteten auf dem kleinen Tisch neben ihrer Couch auf ihren Einsatz. Eine schönere Art des abendlichen Abschaltens konnte er sich nicht vorstellen.
»Privatdetektiv?«
»Ja«, grinste Greven. »Warum nicht?«
»So mit Hinterzimmerbüro, Karteikarten und Schrift auf dem Türglas?«
»Nein, so bestimmt nicht. Ich meine nicht Spade & Archer , ich meine Gerd Greven. Ermittlungen der besonderen Art.«
»Aha.«
»Möchtest du noch Wein? Ich finde ihn wirklich gut. Auf Karls Tipps kann man sich eben verlassen.«
»Unbedingt. Wir sollten gleich eine zweite Flasche dekantieren.«
»Na, dann sind wir uns ja einig«, lächelte Greven.
»Sind wir«, sagte Mona und versuchte, ebenfalls zu lächeln.
»Du hast mir noch gar nichts von deiner Ausstellung erzählt. Hast du überhaupt noch Bilder?«
»Ich habe heute das zwölfte Bild verkauft.«
»Fantastisch! Wer hätte das gedacht? Hier in Aurich?«
»Ja, wer hätte das gedacht«, wiederholte Mona.
»He, was machst du für ein Gesicht? Hör dir die tollen Melodien an, die tolle Gitarre, den tollen Bass, die tolle Stimme. Und noch ist ja Zeit. Ein paar Jahre mache ich ja noch.«
»Wie beruhigend.«
»Finde ich auch. So, und jetzt ist aber Themenwechsel«, schlug Greven vor und füllte Monas Weinglas.
»Halt, du hast mir noch nicht gesagt, ob das tatsächlich stimmt mit dem Gold.«
»Es stimmt«, sagte Greven. »Häring hat in Kiel einen Wissenschaftler aufgetrieben, der sich damit auskennt. Er hat alles bestätigt. Aber er hält es für sehr unwahrscheinlich, dass jemand ohne ein großes Institut im Rücken diese Aufgabe lösen könnte. Das Einzige, was er zu bedenken gegeben hat, ist der permanent steigende Goldpreis. Sollte das kein Ende finden, lohnen sich irgendwann sogar die bereits entwickelten Methoden.«
»Aber
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