Friesengold (German Edition)
verblüfften, verständnislosen.
»Mein Mann? Der liegt draußen im Garten! Das wissen Sie doch!«
»Für Sie schon«, widersprach Greven.
»Mein Mann hat wohl kaum etwas mit dem Einbruch bei mir und den beiden Morden zu tun!«
»Das überlassen Sie bitte uns«, entgegnete Häring mit ernsterem Ton.
»Beantworten Sie einfach unsere Fragen«, fuhr Greven fort. »Welchen Beruf hatte Ihr Mann?«
»Nun gut. Wenn es unbedingt sein muss. Er war Chemiker. Promovierter Chemiker.«
»Und womit hat er sich beschäftigt? In seiner Firma?«
»Mit Recycling-Verfahren. Also mit etwas äußerst Nützlichem!« Dabei sah sie Greven direkt und lange in die Augen.
»Könnten Sie uns das etwas ausführlicher erklären?«
»Er hat im Auftrag anderer Firmen Verfahren entwickelt, aus Müll, Schrott und Altgeräten Rohstoffe zu gewinnen. Gewürzmetalle vor allem, falls ihnen das etwa sagt. Tantal, Lithium, Germanium, Antimon, Indium und so weiter. Wertvolle und seltene Metalle, ohne die Ihr Handy und Ihr Computer nicht gehen. Diese Gewürzmetalle sind unverzichtbar, aber nur in sehr geringen Mengen in unseren Hightech-Geräten enthalten. Daher ist es auch schwer, sie wieder aus ihnen herauszuholen. Verstanden?«
»Unbedingt«, sagte Häring. »Wir hatten da aber nicht an Elektroschrott, sondern an eine ganz andere Quelle gedacht.«
»Nämlich an das uns allen bekannte und weniger seltene Meerwasser«, erklärte Greven.
»Ach, jetzt verstehe ich, worauf das Ganze hinausläuft«, rollte Sophie von Reeten mit den Augen. »Nun gut, wenn Sie es für wichtig halten.«
»Halten wir«, bekräftigte Häring.
»Das war allerdings nur so eine Art Hobby von meinem Mann. Aber da Sie so gezielt danach fragen, werden Sie es längst wissen.«
»Bislang nur sehr wenig. Darum sind wir ja zu Ihnen gekommen«, sagte Häring.
»Nun gut. Es ist ja kein Geheimnis. Im Meerwasser sind bekanntlich nicht nur Salze gelöst, sondern auch Metalle wie Magnesium, Kupfer oder eben auch Gold. In winzigen Mengen natürlich. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er immer von 0,01 bis 0,05 Milligramm Gold pro Tonne Seewasser gesprochen. Eigentlich kaum der Rede wert. Es sei denn, man nimmt sich das Wasser in größeren Mengen vor. Nimmt man alle Ozeane und Meere zusammen, ergibt sich eine gigantische Menge Gold.«
»Rund 70 Millionen Tonnen«, dozierte Häring.
»Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Bravo«, sagte von Reeten.
»Bitte weiter«, forderte Greven sie auf, der sein Knie spürte. Sie hätten sich doch zuerst hinsetzen sollen.
»Das ist, wie gesagt, kein Geheimnis. Schon mehrfach haben daher Chemiker versucht, dieses Gold dem Meerwasser zu entziehen. Der bekannteste ist Fritz Haber, der im Ersten Weltkrieg Giftgas für Deutschland entwickelt hat. Nach dem Krieg hat er versucht, Gold aus Meerwasser zu gewinnen, um die Reparationen an die Siegermächte zahlen zu können. Er hat mehrere Expedition mit verschiedenen Schiffen unternommen und Tausende von Proben gesammelt, um das ergiebigste Wasser zu finden. Aber geschafft hat er es nie. Seine Methoden waren unzureichend und zu teuer. In den sechziger Jahren haben amerikanische und auch deutsche Chemiker neue Verfahren getestet, die aber auch nicht funktioniert haben oder deren Einsatz am Ende teurer war als das gewonnene Gold. Daran hat sich bis heute nichts geändert«
»Ihr Mann hat aber geglaubt, das Problem lösen zu können«, stellte Greven fast.
»Geglaubt ist das falsche Wort. Eher gehofft, davon geträumt.«
»Es ist ihm also nicht gelungen?«, fragte Häring provokant.
»Nein, ist es nicht! Natürlich nicht! Es war nur so ein Faible von ihm, ein harmloser Spleen, ein Jugendtraum.«
»Ein Alchimistentraum.«
»Wenn Sie so wollen. Aber mehr als die anderen Chemiker hat auch er nicht erreicht. Doch möglich ist es, hat er immer gesagt. Das stimmt. Eines Tages. Mit dieser Nanotechnologie oder irgendwelchen künstlichen Bakterien oder Enzymen. Fragen Sie mich nicht, ich habe nämlich nicht Chemie studiert, sondern Kunstgeschichte.«
»Er hat also nicht ernsthaft daran gearbeitet?«
»Nein, Herrgott noch mal! So, war’s das jetzt?«
»Haben Sie noch irgendwelche Unterlagen von Ihrem Mann, die dieses außergewöhnliche Hobby betreffen?«, fragte Greven.
»Im Arbeitszimmer muss noch ein Ordner stehen«, sagte von Reeten und ging wortlos voraus. Ihr Körper bewegte sich diesmal ganz anders.
Im äußerst modern eingerichteten Arbeitszimmer, das stilistisch nicht zu den anderen Räumen
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