Friesengold (German Edition)
wenn er wirklich eine einfache und billige Lösung gefunden hätte? Durch einen Zufall oder eine geniale Eingebung?«, ließ Mona nicht locker.
»Dann würde er mit einem Spezialschiff, sagen wir, der Goldrush , unentwegt um die Welt fahren und sich zum reichsten Mann der Welt machen«, sagte Greven. »Aber dieser Kieler Professor hat abgewinkt.«
»Weiß das auch dein Täter?«
»Wenn es das ist, was er will, bestimmt nicht«, antwortete Greven. »Ach ja, er fährt übrigens ein Sport Utility Vehicle.«
»Einen Arztfrauenpanzer? Seid ihr sicher, dass es ein Mann ist? Ich sehe immer bloß frustrierte, wohlstandsverwahrloste Frauen in diesen hässlichen Kuben.«
»Auch Männer fahren solche Riesenkisten, Mona. Ich weiß zwar nicht, warum, aber sie tun es. Und vergiss bitte seinen genetischen Fingerabdruck nicht.«
»Woher wisst ihr das eigentlich? Das mit dem SUV?«
»Edzard und ein Kollege von der Spusi konnten seine Fußspur doch noch finden und sind ihr bis zum Schoolpad gefolgt. Die Reifenspuren waren auch noch bedingt brauchbar. Es hat jedenfalls ausgereicht, um auf einen großen SUV zu schließen. Die Marke war leider nicht mehr feststellbar.«
»Dann ist er aber ein gutes Stück zu Fuß gegangen«, wunderte sich Mona. »Warum ist er nicht einfach vorgefahren?«
»Er hat es offenbar vorgezogen, nicht nur nicht gesehen, sondern auch nicht gehört zu werden. Und wie wir wissen, beherrscht er diese Strategie perfekt. Das Risiko des langen Fußwegs war durch den starken Schneefall absolut kalkulierbar.«
»Du scheinst ihn ja fast zu bewundern?«
»Zugegeben, ein bisschen schon. Er arbeitet allein, und er ist alles andere als ein Anfänger. Ein Berufsverbrecher mit viel Erfahrung. Eventuell sogar mit einer militärischen Ausbildung. Mit Sicherheit aber ist er seit Jahren aktenkundig. Nur wissen wir nicht, wo wir nachsehen sollen.«
»Ihr tretet also wieder mal auf der Stelle?«
»Ja«, gab Greven unumwunden zu. »Wir haben zwar die Namen der anderen Lebensabschnittsgefährten von Thalke von und zu Aldenhausen, drei an der Zahl, aber die scheiden aus verschiedenen Gründen aus. Einer ist vor einigen Jahren tödlich mit seinem Motorrad verunglückt, einer ist nach Australien ausgewandert, und der dritte vegetiert nach einem Schlaganfall in einem Heim vor sich hin.«
»Aber ihr habt doch ihr Testament?«
»Das ist immer noch auf dem Dienstweg unterwegs. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam«, klagte Greven und füllte nun sein Weinglas. »Ich werde mir daher morgen noch einmal Onkens Goldschmiede vornehmen. Vielleicht finde ich dort die nötige Inspiration. Welche CD soll ich auflegen?«
»Lovano«, antwortete Mona. »Er hat eine Frau am Bass. Diese Spalding.«
»Gut«, sagte Greven und hob sich aus dem roten Sofa. Unterwegs zog er die CD aus dem Stapel und ging vor der Anlage vorsichtig in die Knie. Dass die Schmerzen in den letzten Tagen deutlich zugenommen hatten, hatte er Mona bislang verschwiegen. Wenn er es sich richtig überlegte, hatte sich der Schmerz seit zwei oder drei Jahren nicht mehr so schnell aus dem Nichts aufgebaut. Intensiv hoffte er auf das Zusammenwirken verschiedener Faktoren, auf die Luftfeuchtigkeit, die Kälte und die ungewohnten Bewegungen, die das Schneeflockenschießen und andere winterliche Einsatzarten ihm abverlangten. An eine weitere Operation oder Schlimmeres wollte er nicht denken.
»Was ist mit dir?«, fragte Mona von der Couch. »Hast du etwa wieder Schmerzen?«
»Nein«, antwortete Greven. »Der Tag war nur sehr anstrengend.«
16
Es hatte aufgeklart. Die Wolken ließen der Sonne genügend Raum, um den Sous-Turm glänzen und glitzern zu lassen, als wäre er ein Weihnachtsbaum aus einer fernen Zukunft. Geschmückt war er auch, denn einige Auricher hatten Kerzen aufgestellt und Blumen auf die Stufen gelegt. Ein Abschiedsgruß an einen Goldschmied, den kaum jemand gekannt hatte.
Greven hatte den umstrittenen Turm von Anfang an gemocht und nicht verstanden, warum einige Bürger regelrecht Sturm gegen das neue Wahrzeichen gelaufen waren. Einen von ihnen kannte er sogar persönlich. Hermann Oldewurtel, einer ihrer Nachbarn, etwa gleich alt, und lange Zeit wild entschlossen, den Turm zu Fall zu bringen. Mit Leserbriefen und Anrufen bei lokalen Radiostationen hatte er versucht, sich zum Wortführer der Gegner aufzuschwingen. Passt nicht in unsere Stadt, hatte er argumentiert, zu modern, zu technisch, zu metallen, zu fremd, zu
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