Friesengold (German Edition)
passte, marschierte sie zielsicher auf ein großes Regal zu, in dem neben zahlreichen Büchern auch mehrere Aktenordner standen. Nach kurzer Suche mit ausgestrecktem Zeigefinger zog sie einen der Ordner heraus und knallte ihn mehr auf den fast leeren, großen, schwarzen Schreibtisch als ihn hinzulegen.
»Bitte!«
Nachdem sie einen Schritt zurückgewichen war, schlug Häring den schwarzen Ordner auf. Es war eine Art Dokumentation der Geschichte der Goldsuche im Meerwasser. Die Kurzfassung hatten sie bereits im Internet gelesen. Christian von Reeten hatte aber jede Veröffentlichung von dem Nobelpreisträger Fritz Haber, jede Fahrt und jede chemische Analyse abgeheftet. Fast alles kopierte Seiten aus Fachbüchern. Hier stießen sie auch wieder auf die Schiffe, deren Fotos sie bereits im Internet gesehen hatten, auf die Hansa und die Württemberg , auf die Dana und die Godthaab . Es folgten Analysen und Tabellen, mit denen sie nicht viel anfangen konnten. Nach einem Registerblatt kamen die sechziger Jahre an die Reihe. Tübinger Professoren und amerikanische Chemiker. Genau, wie Sophie von Reeten gesagt hatte. Nach einer letzten Registerkarte bildeten handschriftliche Notizen, Zeichnungen und Formeln den Abschluss, die ihnen so viel sagten wie die Analysetabellen zuvor. Immerhin tauchten Namen von Meeresströmungen und Küstenregionen auf. Die Nordsee, lange Zeit Friesisches Meer genannt, gehörte auch dazu. Auf einer kopierten Seekarte waren in der Nähe von Borkum, Juist und Norderney mehrere Stellen mit kleinen roten Kreuzen markiert, neben denen Zahlen standen.
»Sind Sie jetzt zufrieden?«, stichelte die Gräfin.
»Das ist wirklich alles, was Sie noch besitzen?«
»Ja. Und ich habe Ihnen vor wenigen Minuten versucht zu erklären, dass diese sinnlose Goldsuche nur ein Hobby von ihm war.«
»Hat der Einbrecher diesen Ordner auch in Händen gehabt?«, fragte Greven.
»Mit Sicherheit, denn er lag hier irgendwo auf dem Boden. Meine Putzfrau hat sich darum gekümmert. Ach ja, einer ihrer Männer hat doch jede Menge Fotos gemacht. Darauf müsste er doch zu finden sein?«
»Sie wissen nicht zufällig, ob etwas fehlt?«, wollte Greven wissen.
»Jetzt hört es aber auf! Das hätte ich Ihnen nicht einmal zu Lebzeiten meines Mannes sagen können, denn ich habe mir den Ordner noch nie näher angesehen. Ich habe ihn nur behalten, weil er alles so mühsam zusammengetragen hat. Als Erinnerung. Das ist alles.«
Als Greven sich wieder dem Aktenordner zuwandte, hielt ihm Häring einen gelochten Papierfetzen unter die Nase, den er nach der letzten Seite im Klemmbügel entdeckt hatte. Er stammte von einem Blatt, das herausgerissen worden war.
15
»Du hast sie nicht verhaftet?«
»Warum sollte ich?«, fragte Greven.
»Weil sie etwas damit zu tun hat!«, empörte sich Mona.
»Aber nur, weil sie zu den Opfern zählt.«
»Es sei denn, sie hat den Einbruch bei sich inszeniert, um nicht dem Kreis der Verdächtigen zugeordnet zu werden. Immerhin hat sie den Anschlag überlebt.«
»Den hat Grönmann auch überlebt.«
»Aber nur, weil du ihn mehr oder weniger gewarnt hast«, warf Mona ein. »Und diesen Architekten hattet ihr ja ohnehin ausquartiert. Sonst wäre er auch reif gewesen. Oder ihr hättet ihn womöglich auch noch angeschossen.«
»Mona, bitte, das ist jetzt aber unfair«, wehrte sich Greven. »Welche Laus ist dir denn heute über die Leber gelaufen?«
»Keine«, war ihre Antwort. »Ich glaube nur, dass dir diese Aristokratenwitwe den Blick auf die Realitäten versperrt.«
»Und wie sollte sie das tun?«
»Mit ihren großen Augen, ihren langen Haaren und ihren Möpsen!«
»Du hast den Jaguar vergessen. Und den Warhol«, lachte Greven und versuchte so, Monas Eifersuchtattacke zu entschärfen.
»Du gibst es also zu!?«
»Mona, diese Frau interessiert mich nur rein beruflich.«
Ihn scannte ein Blick, der nach Vertrauen und Bestätigung suchte. Greven wiederum versuchte, ihr durch seinen Blick, der ihrem nicht auswich, die Suche zu erleichtern. Im Grunde kannte er die Ursache ihrer bisweilen gesteigerten Eifersucht, mit der sie auf seine gelegentlichen geschlechtsspezifischen Blicke oder Kommentare reagierte, auf die sie früher nicht reagiert hatte. Es war schlicht der 60. Geburtstag, der in greifbare Nähe rückte. Dabei hatte sie mit ihrem jugendlichen Erscheinungsbild und ihrer Figur keinen Anlass, das runde Jubiläum zu fürchten. Aber darum ging es letztendlich auch gar nicht, es ging um
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