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Friesengold (German Edition)

Friesengold (German Edition)

Titel: Friesengold (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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erforscht. Ich konnte also keinen Stammbaum im Internet auftreiben. Aber ich war bei Eduard von Reeten, dem Bruder von Christian. Der hat zuerst gar nicht gewusst, was ich von ihm will, war dann aber doch sehr hilfreich. Er ist fest davon überzeugt, dass sein Bruder tot ist, und hat wohl auch alles unternommen, ihn zu finden, ich meine, die Leiche zu finden. Auf seine Schwägerin ist er nicht so gut zu sprechen, hat die Gründe allerdings für sich behalten. Dafür hat er mir eine kleine Zeichnung angefertigt. Gegenüber den Aldenhausens sind die von Reetens eine echte Großfamilie, ein richtiger Clan. Wenn wir die alle durchleuchten wollen, kommt viel Arbeit auf uns zu.«
    »Sophie von Reeten hat ja schon so etwas angedeutet«, unterbrach ihn Greven.
    »Und das nicht ohne Grund«, sagte der Neue und zog die Zeichnung aus seiner Mappe, die Greven und Häring staunend begutachteten. An die dreißig Namen in einer außergewöhnlich ästhetischen Handschrift waren durch Pfeile miteinander verbunden. Ehepaare und Kinder waren durch Kreise und Symbole gekennzeichnet.
    »Da hat sich aber einer Mühe gegeben«, meinte Häring.
    »Eine fruchtbare Familie«, meinte Greven und sah bereits die neue Front, die Peters durch seine kleine Exkursion in die Grafschaft Bentheim eröffnet hatte. Diesmal zeigte ihm das Kino im Kopf den Aufmarsch neuer Kollegen, die er aufbieten musste, um Licht in das familiäre Dunkel zu bringen. Nicht sein Knie meldete sich zu Wort, sondern sein Magen. Hatte er von Anfang an die falsche Brennweite gewählt? Hatte er den Kreis von vornherein zu klein gezeichnet? Sein Magen schien jedenfalls dieser Ansicht zu sein. Für einen kurzen Moment sackte er einfach weg, war nicht mehr im Oberbauch zu halten, führte sich auf, als habe er zwei Portionen Grünkohl aus der Kantine zu verdauen. Während Peters anhand seines Notizbuchs aufzuzählen begann, welches Familienmitglied aus welchen Gründen auf der Grafik nicht vertreten war, versuchte Greven, den Film in seinem Kopf zu stoppen. Das Telefon kam ihm dabei zu Hilfe, denn es beendete durch sein synthetisches Klingeln Peters Aufzählung. Greven löste sich aus der kleinen Gruppe und griff zu. Zunächst sagte ihm der Name der Frau nichts, doch dann konnte er ihn doch zuordnen. Es war die Haushälterin von Simon Grönmann.
    »Er war seit zwei Tagen nicht mehr hier. In seiner Ferienwohnung ist er auch nicht, und wenn man seine Handynummer wählt, meldet sich nur die Mobilbox. Seine Kunden können ihn auch nicht erreichen und rufen bei mir an. Den Bürgermeister hat er auch versetzt. Das hat er noch nie gemacht. Da habe ich mir gedacht, ich rufe bei Ihnen an. Sie hatten mir ja Ihr Kärtchen gegeben.«

 
     
     
     
    23
     
    »Der Graf hat gleich für Sie Zeit. Nehmen Sie bitte so lange in seinem Büro Platz«, sagte die Sekretärin, die nicht nur aufgrund ihres Alters, ihrer grauen Haare und ihrer warmen Stimme für den Eindruck sorgte, der gute Geist des Schlosses zu sein. Greven peilte den braunen Ledersessel an, während sich hinter ihm die Tür schloss.
    Das Büro war kleiner, als er es sich vorgestellt hatte, und auch die Ordnung entsprach nicht dem Erscheinungsbild des Grafen, so dass er sich auf Anhieb wohlfühlte. Der große alte Schreibtisch aus Eiche, bestückt mit verschiedenen Schubladen, quoll über vor Papieren und Akten. Ein Computer fehlte, dafür zählte er gleich drei Telefone. Auch in den beiden Regalen hinter dem Schreibtisch hatten sich Ordnungsprinzipien nicht etablieren können. Ordner und Bücher standen nicht in Reih und Glied, sondern bildeten einen bunten Haufen.
    An der Wand gegenüber dem Fenster zum Hof hing ein künstlerisch fragwürdiges Gemälde, das die gesamte Schlossanlage zeigte, wie sie vor dem 20. Jahrhundert einmal ausgesehen hatte. Allerdings war auf den ersten Blick zu erkennen, dass der Künstler seine Darstellung geschönt und romantisiert hatte. Die Anlage mit der Vorburg, dem Schloss mit seinen beiden Flügeln und die Nebengebäude bildete eine auf einer Waldlichtung gelegene Idylle. Um diesen Eindruck zu unterstreichen, hatte der Maler die Gebäude zusammengeschoben.
    »Haben Sie mich also doch noch erwischt!«
    Greven stand langsam auf, um sein Knie zu schonen, und reichte dem Grafen die Hand. Er erinnerte ihn entfernt tatsächlich an Hans Albers. Ein gut gelaunter Hans Albers, also nicht der aus der Großen Freiheit Nr. 7 , sondern der aus Der Mann, der Sherlock Holmes wa r.
    »Bleiben Sie sitzen, bleiben Sie

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