Friesengold (German Edition)
Als Student hatte Greven den Film von Fritz Lang in einem Programmkino gesehen.
»Gerd?«
Der Name des Kommissars fiel ihm nicht mehr ein. Er konnte sich aber daran erinnern, dass er auch in einem der Dr.-Mabuse-Filme von Fritz Lang zu sehen war.
»Gerd?«
Seine geöffneten Augen flogen auf, sein Kopf schwenkte nach rechts, wo Häring vor seinem Schreibtisch stand.
»Ja, Peter?«
»Habe ich dich gestört?«
»Nein, ich war nur kurz in Gedanken. Was gibt es?«
»Fehlanzeige«, sagte Häring. »Unter seinem Namen hat Grönmann weder ein Flugticket noch einen Bahnkarte gekauft. Auch sonst gibt es keine Spur.«
»Danke. Ich brauche erst einmal einen Kaffee«, bemerkte Greven und verließ seinen Sessel. »Du auch einen?«
»Das ist dieses ewig trübe Schmuddelwetter, das macht einfach müde«, erklärte Häring und folgte Greven zum Kaffeeautomaten. Greven platzierte seinen Zeigefinger auf der großen Kaffeetasse, Häring entschied sich für einen Espresso.
»Schon etwas über das Vermögen der Aldenhausens?«
»Nicht viel«, antwortete Häring, die Espressotasse und den Zuckerstreuer in den Händen. »Aber eins wissen wir bereits. Von Vermögen kann wirklich keine Rede sein. Graf Folef hat also nicht gelogen. Das großväterliche Erbe lässt ihnen tatsächlich nur eine magere Apanage. Ein paar Grundstücke haben sie in den letzten Jahren verkauft, aber der Rest ist unveräußerlich und gehört zum Stiftungsbesitz.«
Greven trank den Kaffee, als sei es ein Lebenselixier, und stellte seine Tasse ein zweites Mal unter die Ausgabe. Nach der Mittagspause war er fast ins Koma gefallen, von dem er sich nun unbedingt befreien musste, denn um 15.15 Uhr erwartete ihn die Staatsanwältin. Seine Argumentation hatte er bereits am Vormittag zusammengebastelt. Sie hatte zwar einige Schwächen, besaß dafür aber auch den Joker Polder. Offen war nur noch, wann und wie er ihn ziehen würde.
»Sie müssen also arbeiten. Wie fast alle anderen auch. Wenn das kein Trost ist. Schon etwas über Abbo?«
»Seine Firma scheint ganz gut zu laufen. Er lässt in China Souvenirs aller Art herstellen, die er hier gewinnbringend verkauft. Pilsumer Leuchttürme und Fischkutter sind auch dabei.«
»Die Dinger kenn ich«, sagte Greven. »Die gibt es in Greetsiel an jeder Ecke. Bis heute fehlt mir jede Erklärung, warum sich Menschen im Urlaub mit diesem Plastikzeug eindecken.«
»Ansonsten ist Abbo ein unauffälliger Typ. Keine Akte, keine Punkte in Flensburg, kein Ärger mit dem Finanzamt.«
»Na, dann wird unser Gespräch morgen ja richtig spannend«, meinte Greven.
»Noch dazu hat Abbo Weihnachten samt Frau und Kindern in Thailand verbracht.«
»Warum erfahre ich das erst jetzt?«
»Der Bericht liegt auf deinem Schreibtisch«, sagte Häring und orderte bei der Maschine einen weiteren Espresso.
»Das Gespräch wird also nicht nur spannend, es wird auch besonders lang.«
»Damit würde ich rechnen.«
»Gut, konzentrieren wir uns auf die Spur des Adlers.«
»Dazu musst du den Adler erst einmal haben.«
»Ich werde ihn bekommen. Verlass dich drauf«, sagte Greven und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Bis zu seinem Termin hatte er noch etwas Zeit, die er für einige Telefonate nutzen wollte. Zunächst aber machte er sich daran, Härings Bericht über Abbo von und zu Aldenhausen zu suchen. Ein Unternehmen, das hoffnungsvoll begann, aber schon nach wenigen Minuten an jenen Klippen scheiterte, die inzwischen wieder einmal seinen Schreibtisch beherrschten. Obwohl er im Prinzip die Sedimente kannte, die zur Auffaltung der Klippen geführt hatten, so musste er bei dem Bericht passen. Als er sich nicht unter den jüngsten Ablagerungen befand, hätte Greven tiefer schürfen müssen. Damit hätte er jedoch die Statik der Klippen und deren sedimentierte Ordnung in Gefahr gebracht. Wahrscheinlich war der Bericht bei einer seiner Umschichtungsmaßnahmen, die er ab und zu durchführte, unabsichtlich in eine der Formationen geraten. Er ließ die Klippen also ruhen und begnügte sich mit der mündlichen Kurzfassung. Außerdem konnte er morgen Abbo von und zu Aldenhausen auch persönlich fragen.
Greven griff also zum Hörer, um einem Oldenburger Kollegen eine Frage zu Heyden zu stellen, die ihm während der Mittagspause in den Sinn gekommen war. Der Klingelton rief den Kollegen bereits, als ein lautloser Schatten auf die Klippen fiel. Greven ließ den Hörer sinken, aus dem eine leise Stimme tönte und nach dem Anrufer fahndete.
»Ich hoffe,
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