Friesengold (German Edition)
wiederholte der kleine Mann zum dritten oder vierten Mal. »Ich kenne nur sehr wenige Menschen, die so gut kochen können. Wie nennt man diese Füllung gleich noch mal?«
»Das ist eine Farce«, antwortete Mona. »Sie besteht aus Steinpilzen, Hühnerfleisch, Zwiebeln, einem zerdrückten Brötchen, Crème fraîche, Salz und Pfeffer.«
»Schmeckt fantastisch. Und die Sauce dazu. Das sind doch Lebkuchengewürze, oder?«
»Sie sind ein wahrer Gourmet, Herr Polder. Nelken, Zimt, Anis und etwas Piment. Das ist das ganze Geheimnis. Der Rest besteht aus Rotwein, einigen Knochen, etwas Fleisch, Suppengemüse und anderen Kleinigkeiten.«
»Fantastisch. Wirklich. Ich würde es sonst nicht sagen.«
Der Goldschmied aus Bremen griff ein drittes Mal zu und transferierte die letzten gekochten Dinkelkörner auf seinen Teller, um sie in Sauce zu baden. Der Kopf des Mannes um die sechzig war kahl, abgesehen von einem schmalen Haarkranz am Hinterkopf. Generell musste er über einen gesegneten Appetit verfügen, denn sein Bauch hatte die Form einer Kugel und hinderte ihn daran, näher an die Tischplatte zu rücken.
Erstaunt verfolgte Greven das Engagement des Gastes, den Mona von verschiedenen Ausstellungen her kannte. Ein handwerklich erstklassiger, ein erfahrener Goldschmied, der auch für Museen arbeitete und Kopien herstellte, wenn die Originale zu kostbar waren. Mona hatte ihn nicht in alle Details eingeweiht, sondern nur erzählt, was unbedingt nötig war. Schon gar nicht hatte sie ihm unterbreitet, dass die zuständige Staatsanwältin gegen eine Untersuchung war. Polder war nämlich ein ausgesprochen braver Bürger, der staatlichen Institutionen prinzipiell keine Kritik entgegenbrachte. Ein Mensch, der großen Respekt vor Paragrafen und Konventionen hatte, in denen er Garanten für das Funktionieren der Gesellschaft sah. So hatte es ihm Mona jedenfalls erzählt. Abgesehen davon schien er ein angenehmer Zeitgenosse zu sein.
Nach dem Essen tranken sie noch Espresso, und Polder gab einige Anekdoten aus der Welt der Museen zum Besten, die ebenso absurd wie komisch waren. Da hatte etwa ein Mitarbeiter seinen Ehering vermisst, den er bei bestimmten Arbeiten abnahm, und ihn nach Wochen zufällig unter den Exponaten als angebliches Schmuckstück eines hohen römischen Offiziers entdeckt. Wie der Ring in die Vitrine gelangt war, ließ sich nicht mehr ermitteln. Und wären Name und Hochzeitsdatum nicht eingraviert gewesen, hätte der Museumsleiter den Ring auch nicht wieder herausgegeben. Polder ließ noch eine kleine Serie bedingt tauglicher Goldschmiedewitze folgen, bevor sie zum Aufbruch mahnten.
Erst während der Fahrt begannen sie, die Mission durchzuspielen und fanden dabei schnell einen Haken.
»Es wäre nicht klug, wenn wir uns zu dritt vor dem Schatz aufbauen. Die Familie von und zu Aldenhausen braucht nicht zu wissen, dass wir Zweifel an der Echtheit haben. Sollten Sie nämlich zu dem Ergebnis kommen, dass alles echt ist, haben wir keinen Staub aufgewirbelt, und die Sache hat sich erledigt«, erklärte Greven.
»Das ist ganz in meine Sinne«, sagte Polder. »Je privater und unauffälliger, desto besser. Sollte sich Ihr Verdacht bestätigen, können Sie ja jederzeit ein Gutachten anfertigen lassen.«
»Jederzeit«, unterstrich Greven. »Aber so ist es uns lieber. Ein Gutachten hat schließlich auch seinen Preis, den am Ende der Steuerzahler zahlen muss.«
»Ich kann Ihnen da nur beipflichten«, sagte der Goldschmied. »Für eine gewissenhafte Untersuchung sollte man schon einen triftigen Grund vorzubringen haben.«
Mona parkte auf dem kleinen Parkplatz vor der Vorburg. Ihr Agent Polder wurde noch mit letzten Instruktionen versorgt und dann hinter die feindlichen Linien geschickt. Mona und Greven blieben zurück, um das zu tun, was alle Agentenführer taten, nämlich auf Ergebnisse zu warten.
»Wie lange wird er brauchen?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Mona. »So, wie ich ihn einschätze, wird er sich Zeit lassen.«
»Mich wundert, dass er unsere Erklärung so einfach geschluckt hat.«
»Du bist Kommissar«, sagte Mona. »Das reicht ihm. Du möchtest nur eine vage Möglichkeit ausschließen. Und wenn du ehrlich bist, geht es tatsächlich genau darum. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass der Schatz ein echter ist.«
»Das wäre ärgerlich.«
»Es wird kalt«, meinte Mona und lenkte damit den Blick auf das Wetter und die Außentemperaturen. Am Morgen hatte es geschneit, ohne dass der Schnee liegengeblieben
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