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Friesengold (German Edition)

Friesengold (German Edition)

Titel: Friesengold (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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leitete eine Drehung seines Körpers ein und saß auf der Bettkante. Er war in der Wirklichkeit angekommen.
    »Wo sind Sie jetzt?«
    »In meinem Zimmer«, hauchte die Haushälterin.
    »Woher wissen Sie, dass jemand im Haus ist?«
    »Ich kann ihn hören. Er ist leise, aber ich höre ihn. Ich glaube, er ist im Büro. Was soll ich tun?«
    »Seien Sie auf jeden Fall noch leiser als er. Können Sie Ihre Tür abschließen?«
    »Die schließe ich immer ab.«
    »Dann stellen Sie noch einen Stuhl unter die Türklinke. Aber leise. Ich bin schon unterwegs. Warten Sie in Ihrem Zimmer. Unternehmen Sie nichts. Verstanden?«
    »Ja, Herr Kommissar.«
    Er drückte auf die rote Taste und wählte eine vertraute Nummer. Dann scheuchte er seinen Kollegen Pütthus aus dem Bett, dem er den Schlaf nicht gönnte, während er auf die Jagd ging.
    »Jetzt sag bloß, du musst ausrücken?«, maulte Mona aus einem Tal des Deckengebirges.
    »Bleib liegen.«
    »Worauf du dich verlassen kannst.«
    Wenige Minuten später saß Greven im Wagen und fuhr Richtung Georgsheil. Da er wusste, dass einige Kollegen der Verkehrspolizei auch in kalten Winternächten mit roten Blitzen auf der Lauer lagen, pfropfte er dem Wagen ein blaues Gegenlicht aufs Dach und gab Gas. Normalerweise betrug die Fahrzeit etwa vierzig Minuten, er hatte sich aber vorgenommen, in spätestens einer halben Stunde in Greetsiel zu sein. Die Straßen waren leer und trocken, es fror nicht, dennoch musste er an den bekannten Stellen mit Glatteis rechnen.
    Nach etwa fünfzehn Minuten winselte sein Handy.
    »Wo bist du?«, fragte Pütthus.
    »Marienhafe.«
    »Wir sind dicht hinter dir. Warte auf uns. Geh bloß nicht allein in das Haus.«
    »Würde ich nie ohne Grund machen.«
    »Gerd! Warte auf uns!«
    Auf der Höhe der Zwillingsmühlen nahm er das Blaulicht vom Dach und trat auf die Bremse. Als er in die schmale Straße Am Bollwerk einbog, die an der Kirche vorbei zu Grönmanns Haus führte, verzichtete er auch noch auf das Fahrlicht. Die letzten Meter ließ er sich mit abgeschaltetem Motor bis fast vor das Haus rollen. Die Fahrertür lehnte er nur an.
    Zum zweiten Mal in diesem Winter kam ihm Chingachgook in den Sinn, fragte er sich, was der berühmte Indianer gesehen haben könnte. Außer der Stille. Selbst als sich seine Augen an die weitgehend kompromisslose Dunkelheit gewöhnt hatten, zeichneten sich nur die Umrisse des Hauses ab. Er zog seine Waffe und tastete sich vor bis zur Eingangstür. Wahrscheinlich wäre Pütthus anders verfahren, aber ihm schien die Überprüfung der Vordertür der erste erforderliche Schritt zu sein. Zunächst übte er vorsichtig Druck auf das Türblatt aus, anschließend betätigte er die antike Klinke. Das Türblatt rührte sich nicht.
    Rechts hatte das Haus einige tief liegende Fenster, die sein nächstes Ziel waren. Mühsam stocherte er in der Dunkelheit, stieß aber nicht auf Scherben. Kein Lichtkegel einer Taschenlampe war zu sehen. Die Taschenlampe! Sie musste irgendwo im Kofferraum liegen. Umkehren aber wollte er nicht, sondern tastete sich weiter an der Hauswand entlang. Schließlich kannte er das Terrain. Wie oft hatten sie rund um das Haus, in dem damals noch der Pastor des Ortes wohnte, Verstecken gespielt. Die baulichen Veränderungen, das hatte er bei seinem jüngsten Besuch gesehen, hatten sich in Grenzen gehalten.
    Die Fenster auf der Westseite waren alle intakt. Hier war der Einbrecher also nicht eingestiegen. Nach wie vor triumphierte die Stille. Nur in einer unbestimmbaren Ferne suchte ein Auto seinen Weg. Eine Möwe schrie irgendwo am Deich. Aber das war kein Geräusch, das der Stille gefährlich werden konnte, denn es wurde umgehend von ihr wieder verschluckt.
    Die Hintertür war im Gegensatz zur Vordertür jüngeren Datums und besaß einen Knauf anstelle der Klinke. Aber auch sie ließ sich nicht bewegen. Sogar den Falz fuhr er mit den Fingern ab, um die Spuren eines Brecheisens zu suchen, doch er fand nicht eine Kerbe.
    Sollte sich Frau Tjarden geirrt haben? Das Verschwinden ihres Arbeitgebers hatte mit Sicherheit an ihren Nerven gezerrt. Vielleicht hatte sie ein ganz harmloses Geräusch gehört und sich in die Vorstellung hineingesteigert, es mit einem Einbrecher zu tun zu haben?
    Greven ging auf die Ostseite und inspizierte die Fenster nur sehr oberflächlich, fand aber auch dort keine Spuren eines Einbruchs. Er trat einige Schritte zurück und nahm sich die oberen Fenster vor, die ebenso schwarz waren wie die Hauswand und das Dach.

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