Friesenherz
möcht euch gern den Bandix vorstellen, Bandix Höge, unseren Kurdirektor.«
»Nicht Kurdirektor!« Der Mann schüttelte den Kopf. »Tourism Manager.«
»Also gut, Tourism Manager.« Sie lächelte versöhnlich. »Jedenfalls, der Bandix wollt es sich nicht nehmen lassen, bei unserer ersten Boldsumer Performance-Nacht dabei zu sein. Wenn nachher unsere liebe Ann a paar von ihren Gedichten vorträgt.«
Täuschte ich mich, oder hatte die Frau mit den Rastalocken bei diesen Worten wirklich kurz genickt? Jetzt griff sie mit einer Hand an ihre Schulter und begann, sich selbst den Nacken zu massieren. Mit der anderen schob sie angewidert ihre Suppenterrine fort.
»Ja«, fuhr Lisi Schleibinger fort, »das ist die Ann Falk, Perfor mance-Künstlerin aus Hamburg. Ich hab die Ann auf vielen Kulturveranstaltungen im In- und Ausland erlebt und bin ganz besonders stolz, dass ich sie für unsere Woche hier g’winnen konnte.«
Also doch. Die verheulte Hippie-Frau, die mir ihren angewärm ten Sitz überlassen hatte, war niemand anderes als die Stehdichterin fürs Kulturprogramm.
Ann hob den Kopf und blickte die Hotelbesitzerin verdutzt an. »Wo war ich denn mal im Ausland?«, fragte sie.
Das Smartphone vor ihr auf dem Tisch erwachte zum Leben. Es klingelte wie ein schweres Bürotelefon aus den Fünfzigerjahren. Ungemein originell. Der Kurdirektor und der Mann mit dem Pferdeschwanz tasteten gleichzeitig hektisch über ihre Hemdta schen, noch bevor Ann nach ihrem Gerät griff.
»Heyyy!«, sprach sie dann langgezogen ins Telefon, ohne sich darum zu kümmern, dass sie das Tischgespräch unterbrach. »Das find ich ja voll … Nee, echt nice, dass du anrufst!«
Endlich bemerkte sie die Blicke der anderen, stand mit einer entschuldigenden Geste auf und ging ein paar Schritte zur Seite. »Nee, das war gar nicht ausgeschaltet«, hörte ich sie halblaut, »bloß, die halbe Strecke ab Flensburg ist ein einziges Funkloch, erst seit ich auf dieser verfickten Insel hier bin, hab ich wieder Empfang.«
Immer wieder lachte sie auf, warm und wissend und flirtend und girrend wie ein Teenager. Dabei war die auch keine siebzehn mehr, darüber konnte auch ihr Hippielook nicht hinwegtäuschen. Sondern mindestens Anfang dreißig.
»Mei.« Lisi Schleibinger sah aus, als sei sie leicht aus dem Konzept gebracht. »Vielleicht mögt ihr anderen selbst sagen, wer ihr seid?«
»Schatz«, begann Hans-Gerd und nestelte nervös am Reißver schluss seiner Windjacke. Geli legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Also, wir sind Geli und Hans-Gerd aus Hannover. Und wir heißen so. Schatz, meine ich.«
»Ich bin der Ahimsa«, meldete sich der Mann mit dem spärlichen grauen Langhaar zu Wort, »und das ist meine Lebensgefährtin, die Barbara.«
»Jetzt machst du’s schon wieder«, zischte die ihn an.
»Was mach ich?«
»Das. Diese Vorstellung, als könnte ich nicht für mich selbst sprechen.«
»Also, für mich stimmt das so. Ich meine, es ist stimmig. Dass ich dir einen Raum in meiner Sprache gebe. Und dadurch …«
»Das müssen wir noch mal austanzen. Aber nicht hier.«
Austanzen? Hatte die Rothaarige wirklich »austanzen« gesagt?
Ann kam an den Tisch zurück, setzte sich geräuschvoll und tippte stumm auf ihrer Telefontastatur herum.
»Und außerdem sollst du mich nicht Barbara nennen, vor allen Leuten«, fuhr die Rothaarige fort.
»Ja, und wie …«
»Du, ganz einfach: Bärbel. Das hab ich dir schon so häufig …«
»Und ich hab dir auch schon häufig genug gesagt, dass diese zwanghafte Kindlichkeit …«
»Die Barbara und der Ahimsa, die san Tanztherapeuten«, unterbrach Lisi Schleibinger beflissen, »gerade als ihr alle kamt, haben’s von ihrem letzten Workshop in San Francisco erzählt. Es gibt da diese Methode, mit den sieben Rhythmen …«
»Bärbel«, riefen die beiden wie aus einem Mund.
»Wie, bittschön?« Lisi Schleibinger blickte vom einen zum anderen.
»Bärbel.« Ahimsa legte der Rothaarigen sanft eine Hand auf die Schulter. »Meine Lebensgefährtin möchte gerne Bärbel genannt werden.«
»Also, ich weiß nicht, was mit euch ist«, unterbrach Ann und deutete mit dem Handy auf die Suppenterrine, »mir ist jetzt eher nach einem frischen Salat.«
»Mei.« Lisi legte ihr fürsorglich eine Hand auf den Arm. »I mein – du bist a erwachsener Mensch, I will dir da keine Vorschriften machen, aber Salat am Abend, des bringt die Körperenergie deutlich ins Ungleichgewicht.«
Hans-Gerd und Geli Schatz verzehrten schweigsam ihre
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