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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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vorbei.«
    Das wiederum klang nicht so überkandidelt wie Ronjas sons tige Wünsche. Beim letzten Mal, als sie mich Mama genannt hatte, hatte sie gerade eine japanische Website für maßgeschneiderte Comickostüme entdeckt. Und wollte mich unbedingt bewegen, dass ich ihr eines zum Geburtstag schenkte.
    Für fünftausend Euro.
    »Und wie kommst du hin?«, fragte ich. »Fährt Laurin wieder?« Der Nachbarsjunge war einer der wenigen, mit dem ich meine Tochter bedenkenlos Auto fahren ließ. Denn er sah eher nach Jasmintee aus als nach Bier und wirkte mit seinen halblangen Haaren und seinem glitzernden Totenkopf-Kettchen von H & M eher wie ein in die Jahre gekommenes Kindergartenkind als wie ein gefährlicher Wüstling.
    »Ach, Laurin, nee«, gab Ronja zurück, »das ist doch so ein Emo.«
    »Und?«
    »Emos sind ja wohl übelst langweilig.«
    »Ich dachte immer, du und deine Freunde, ihr seid auch …«
    »Wir sind keine Emos. Wir sind Visus. Dass das so schwierig zu kapieren ist.«
    Ich konnte mir nicht helfen, aber es war wirklich schwierig. Sehnsüchtig dachte ich an meine eigene Teenagerzeit zurück. 1986 war wenigstens auf den ersten Blick zu erkennen, wer zu welcher Gruppe gehörte. Punks mit Irokesenschnitt und Lederjacke, Popper mit gelben Pullundern, Ökos in Selbstgestricktem. Jetzt schien es bereits einen himmelweiten Unterschied zu machen, welche Farbe das Totenkopf-Kettchen hatte. Selbst die romantisch ge meinten Sprüche dieser Teenager verstand ich nicht. Neben Ronjas Profilbild in ihrem Lieblings-Internetforum stand folgender: »Umklammere ich nicht mein Schwert, kann ich dich nicht beschützen. Halte ich mein Schwert, kann ich dich nicht umklammern.« Was sollte das heißen? Man kann nur verlieren?
    »Was ist eigentlich so verkehrt an Emos?«, fragte ich, obwohl ich nicht ernsthaft mit einer Erklärung rechnete.
    »Weiß nicht«, sagte Ronja gedehnt, »oder doch. Die trinken immer bloß Bionade.«
    »Na und? Ist doch besser als Wodka Tonic.«
    »Na ja. Aber sie trinken die gelbe.« Selbst Ronjas Schweigen klang angewidert. Ich konnte nicht folgen. Wahrscheinlich lag es jenseits normaler menschlicher Erklärungsmuster, was an gelber Bio-Limonade so unendlich verachtenswert war.
    »Okay«, sagte ich, »dann geh halt da hin, zu deinem Treffen. Aber nicht mit jemand fahren, den ich nicht kenne. Nimm die S-Bahn.«
    »Du hast das echt schon wieder vergessen, nä?« Jetzt klang Ronja nicht mehr angewidert. Eher enttäuscht. Was hatte ich denn nun wieder verbrochen?
    »Ich fahr doch sowieso mit Sven«, seufzte sie schließlich, als redete sie nachsichtig mit einem Kleinkind. »Dann kann ich auch später bei ihm pennen.«
    »Pennen«, wiederholte ich tonlos. Dann rief ich mich innerlich zur Ordnung. Vermutlich war an Sven überhaupt nichts verkehrt, und das Problem war ich. Ich konnte mich einfach nicht an den Gedanken gewöhnen, dass ein erwachsener Mann an meinem kleinen Mädchen herumfingerte. Meinem Baby.
    »In seiner WG«, legte Ronja gnädig nach, »in Eimsbüttel. Also, Papa hat es jedenfalls erlaubt. Aber er hat gesagt, unter der Woche nur ausnahmsweise, weil Ferien sind.«
    Ich war so verblüfft, dass mir nichts mehr einfiel. Das hatte Torge wirklich gestattet? Der Boden unter meinen Füßen kam bedenklich ins Schwanken.
    »Ist denn der Papa …«, begann ich.
    »Keine Ahnung«, sagte Ronja, »er wollte zum Joggen. Ist aber schon eine ganze Weile weg.«
    Torge joggte? Das war ja nun eine ganz neue Angewohnheit. Oder eine ganz alte. Jedenfalls hatte ich ihn seit mindestens zehn Jahren nicht mehr in Laufschuhen gesehen. Dass er ausgerechnet im November wieder damit anfing, fand ich zumindest befremdlich.
    »Aber es geht ihm gut?«, fragte ich vorsichtig nach.
    »Hm.«
    »Wie, hm?«
    »Na ja. Wie immer halt.«
    »Na dann …«, begann ich, doch Ronja unterbrach mich wieder: »Du, ehe ich’s vergesse, da ist noch eine Kleinigkeit, ist auch echt nicht kompliziert. Ich brauch da so eine Unterschrift von dir. Kannst du mir vielleicht einfach schnell was faxen, aus deinem Hotel da?«
    »Unterschrift, wieso? Kann das nicht der Papa machen?«
    »Ach, weißt du, irgendwie … es wäre mir lieber, wenn du das tust. Geht auch ehrlich schnell.«
    »Und worum geht es?«
    »Ach, ist bloß so ein kleines Fotoshooting … auf dem Treffen da in Harburg … und weil ich doch noch nicht achtzehn bin …«
    »Was für ein Shooting?«
    »Also, das heißt so was wie, warte …«, ich hörte Ronja mit einem Papier rascheln,

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