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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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Lütte?«, unterbrach Bärbel Gelis Redeschwall.
    Geli sah sie irritiert an. »Siebenunddreißig, warum?«
    »Na, so lütt ist er ja nun auch wieder nicht«, sagte Bärbel, und Geli schüttelte den Kopf. »Nee. Aber als er noch klein war. Da war er lütt.«
    Dr. Sidhoo beugte ein wenig den Oberkörper vor und legte sanft eine Hand an Gelis Oberarm.
    »Nicht alles auf einmal«, sagte sie, »ich habe den Eindruck, da ist etwas in dir, das mit großer Kraft hinausmöchte, ein ungelebtes Stück Leben.«
    »Ja.« Geli schniefte ein bisschen. »Ich hab doch Miezen immer so gerngehabt. Als ich klein war, zu Hause, da hatten wir immer welche, mindestens zwei. Aber der Hans-Gerd ist ja allergisch, ich meine, eigentlich gar nicht auf Katzen, sondern auf rohes Gemüse, und er hat immer gesagt, so eine Kreuzallergie, mit der ist nicht zu spaßen, er war sogar mal bei einem Naturheilpraktiker, weil die Krankenkasse in manchen Fällen …«
    »Geli.« Dr. Sidhoo drückte mahnend ihren Oberarm. »Bleib jetzt mal ganz bei dir. Nicht bei deinem Mann. Du träumst also von einer Katzenpension.«
    Geli nickte, dann griff sie nach einem Kleenex aus der Spender box, die in der Mitte stand. Genauso eine hatte ich zuletzt im Sprechzimmer von Dr. Sidhoo gesehen. Hatte es wohl im Dutzend günstiger gegeben, sogar mit passendem Lotosblütenaufdruck.
    »Versteht ihr, ich hab ja nie … ich hab nie was Eigenes gehabt. Also, hatte ich natürlich schon, der Lütte, als er klein war, da hatte ich wirklich viel zu tun mit ihm, er hat mehrmals den Kinder garten gewechselt, weil, wir haben ja gebaut, und nach dem Umzug …«
    Dr. Sidhoo legte ihren Finger an die Lippen und sah Geli durchdringend an.
    »Ich möchte, dass du dich konzentrierst. Schließ die Augen, lass Bilder kommen. Was ist es, das du mit Katzen verbindest?«
    Geli kniff die Augen zusammen, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
    »Ihr Fell«, sagte sie, »es ist so schön weich und samtig. Ich mag das, wenn sie einem um die Beine streichen. Oder wenn sie sich zu einem ins Bett legen und man überhaupt nicht wagt aufzustehen, um sie nicht zu stören. Sie … sie tun das einfach, sie nehmen sich den Platz einfach, als hätten sie alles Recht der Welt dazu. Versteht ihr? Und dann … Doch, da ist noch etwas, das ich mag. Sie kommen und gehen, wie sie wollen. Haben ihren eigenen Kopf.«
    Sie öffnete die Augen wieder und schaute Dr. Sidhoo ängst lich an.
    »War das richtig so?«
    Dr. Sidhoo nickte befriedigt. Oder vielleicht war es kein Nicken, sondern eher so ein lustiges, indisches Mit-dem-Kopf-Wackeln. Das konnte man bei ihren Landsleuten nie so genau unterscheiden.
    »Sie kommen und gehen, wie sie wollen«, wiederholte Dr. Sidhoo, als hätte Geli gerade eine uralte indische Weisheit von sich gegeben.
    »Ist das … Stimmt daran etwas nicht?«, erkundigte sich Geli mit eingezogenem Kopf.
    Dr. Sidhoo lächelte. »O doch. Daran stimmt alles. Ich möchte euch daran erinnern, was ich vorhin gesagt habe: Alles, was ihr zu eurem Glück braucht, ist da. Alle Weisheit, alles Wissen tragt ihr in euch.«
    Geli straffte ihre Wirbelsäule und versuchte ein unsicheres, klei nes Lächeln. Sie sah aus, als hätte Dr. Sidhoo sie gerade in den Rang einer altindischen Weisheitsgöttin befördert.
    Bärbel war währenddessen zunehmend unruhig geworden. Sie spielte mit ihrem Delphinanhänger, schrieb mit dem großen Zeh unlesbare Botschaften auf den genoppten Linoleumboden und ließ ihre Fingergelenke knacken.
    »Ja?«, wandte sich Dr. Sidhoo an sie.
    Bärbel räusperte sich. »Darf ich offen sprechen?«, fragte sie.
    »Dazu sind wir hier«, bestätigte die Ärztin.
    Bärbel seufzte und ließ ihren Blick in eine unbestimmte Ferne schweifen.
    »Es ist … ich meine, es gibt da etwas, das ist mir sofort eingefallen, als du nach dem Glück gefragt hast, so ganz aus dem Bauch her aus, aus der Tiefe. Aber dann hab ich mir gedacht, Bärbel, das ist total reaktionär, was du da denkst, das kannst du keinem sagen, es sei denn … also, ihr müsst mir versprechen, dass ihr nicht lacht.«
    Wir nickten mit todernsten Gesichtern.
    »Und dass nichts von dem, was ich hier sage, den Raum verlässt. Weil, also da ist etwas, das spür ich ganz intensiv, das will raus, aber es fällt mir selbst schwer, das so stehen zu lassen.«
    Dr. Sidhoo hob die Handflächen in einer ermutigenden Geste.
    »Du bist hier sicher. Mit all deinen Gedanken und Gefühlen.«
    »Also, wenn das so ist.« Bärbel blickte sich unbehaglich um,

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