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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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»Sie sehen doch noch ganz fit aus.«
    Niemand schien mich hier ernst zu nehmen.
    »Es ist ein Notfall«, sagte ich eindringlich. »Es geht um mein Kind.«
    Er sah sich suchend um. »Und wo ist Ihr Kind?«
    »In Hamburg«, sagte ich, »das ist ja das Problem.«
    Nun blickte er mich immerhin mit etwas mehr Interesse an.
    »Das Problem ist wohl eher, dass Sie hier sind«, sagte er schließlich. Er spitzte die Lippen auf eine affenhafte Art und holte das letzte Stück gelbes Fruchtfleisch aus der Schale.
    Wenigstens hatte der Mann mein Anliegen grundsätzlich verstanden. Das war schon mal ein erster Schritt.
    »Genau«, sagte ich erleichtert, »und deshalb werden Sie verste hen, dass ich dringend einen Platz in einem Hubschrauber brauche.«
    In der Zwischenzeit war eine Krankenschwester im blauen Kittel hinter dem Empfangstresen erschienen, setzte sich auf einen hohen Hocker und badete hingebungsvoll einen Teebeutel in einem dampfenden weißen Becher. Dabei lauschte sie interessiert unserem Gespräch, als säße sie zu Hause auf dem Sofa vor dem Fernseher.
    »Ist es denn was Schlimmes mit Ihrem Kind?«, wollte der Sanitäter wissen.
    Ich nickte gefasst.
    »Verkehrsunfall? Oder anderweitig akute Lebensgefahr?«
    »Nein, nein!«, rief ich entsetzt. »Wo denken Sie hin?« Mir wurde ganz übel. Wie konnte dieser Mann hier so lässig an der Wand lehnen und einfach solche Begriffe in den Raum werfen, im Zusammenhang mit Ronja.
    »Sondern?« Jetzt klang er schon wieder reichlich desinteressiert.
    Ich versuchte es noch einmal auf die Solidaritätstour.
    »Haben Sie eigene Kinder?«, fragte ich verschwörerisch.
    Er lachte. »Schön wär’s.«
    Kichernd mischte sich nun die Krankenschwester vom Empfang ein und deutete auf den Sanitäter.
    »Er und sein Liebster, die üben und üben. Aber er wird einfach nicht schwanger.« Jetzt erst beachtete ich den kleinen Regenbogen sticker an der signalroten Jacke des Mannes.
    Ich ließ mich von dieser neuen Information nicht aus dem Konzept bringen und ignorierte die Krankenschwester. Schwule Sanitäter waren genauso zu Hilfe verpflichtet wie heterosexuelle, soweit ich das wusste.
    »Aber Neffen? Nichten?«, bohrte ich investigativ weiter.
    Er nickte amüsiert, aber ich ließ nicht locker, das kam jetzt nicht mehr infrage.
    »Na also!«, rief ich aus und hieb mit dem Zeigefinger in die Luft wie der Staatsanwalt in einer Gerichtsserie. »Und was würden Sie sagen, wenn Ihre Nichte sich für irgendeine zwielichtige Website fotografieren lassen würde? Mehr oder weniger nackt?«
    »Kommt darauf an, wie alt die Kleine ist«, sagte der Sanitäter bedächtig.
    »Sechzehn«, seufzte ich. »Die Kleine ist sechzehn.«
    »Und was für ein Magazin genau?«, fragte er interessiert.
    »Weiß nicht. Manga oder so.«
    Die Krankenschwester beugte sich über den Tresen und sah mich an. Wie alt mochte sie sein? Ende zwanzig? Und was mischte die sich schon wieder ein?
    »Wieso nicht? Wenn’s ästhetisch ist«, sagte sie.
    Ich holte tief Luft. »So«, sagte ich mit meiner schärfsten Lehrerinnenstimme, »jetzt hören Sie mir mal zu. Ich wollte lediglich wissen, wo es hier zu den Rettungshubschraubern geht, damit ich mal mit einem der Piloten reden kann. Es muss doch eine Möglichkeit geben, von dieser Insel hier herunterzukommen, wenn die Fähren nicht fahren.«
    »Gibt’s auch«, sagte die Krankenschwester spitz. »Für Notfälle.«
    »Warte mal.« Der Sanitäter sah die Krankenschwester an und zog die Stirn kraus. »Was ist mit deinem Onkel? Ist der nicht bei der Küstenwache?«
    »Ist er. Und?«
    »Na, der hat doch das Boot!«
    Einen kurzen Augenblick schöpfte ich Hoffnung, aber schon schüttelte die Krankenschwester den Kopf. »Nee, is nich«, sagte sie. »Der ist doch bei dem Familienfest. Auf Hooge. Die sitzen da seit Sonntagmorgen fest.«
    »Mist«, sagte der schwule Sanitäter mitfühlend, »machst du dir Sorgen?«
    »Sorgen?« Die Krankenschwester lachte trocken auf. »Ich wette, die amüsieren sich wie Bolle und trinken die letzten Schnapsvorräte der Hallig leer.«
    »Also, jedenfalls«, der Sanitäter sah mich an, »um mal Ihre Frage zu beantworten: Rettungshubschrauber starten nicht hier von der Klinik aus, sondern ein Stück weiter weg, in Süderhörn. Aber mit dem Piloten würde ich mich an Ihrer Stelle nicht anlegen. Der Hauke, der hat seine Pilotenehre. Wenn der erfährt, weshalb Sie so dringend nach Hamburg zurückmüssen, der lacht Sie aus. Außer dem, so ein kleines Unwetter dauert ja

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