Friesenherz
Chefin am Gymnasium allmählich anbieten können. Aber was mir spontan in den Sinn kam, war etwas komplett anderes.
Es war dasselbe wie mit den rosa Elefanten. Etwas in mir machte sich selbstständig, wahrscheinlich war da etwas locker, eine Schraube im limbischen System oder ein ganzes Knäuel von Synapsen, die aufgeregt durcheinanderfunkten. Beinahe hätte ich es gesagt. Ein Traum, den ich nie ganz ausgeträumt hatte. Ein kurzes, scharfes Wort mit drei Buchstaben.
Sex.
Und nicht einfach nur Sex, so, wie man Sex hatte nach dem Zähneputzen oder am ersten Abend des Urlaubs im Schlafzimmer einer Ferienwohnung, weil sich das nun mal so gehörte, um sich gegenseitig zu beweisen, dass man noch eine gute Ehe führte.
Sondern die Art von Sex, die alles wegschwemmte wie eine Flutwelle, die einen dazu brachte, alles stehen und liegen zu lassen, schmutzige Teller und Steuererklärungen und Zeugniskonferen zen, um sich ineinander zu verkeilen und nicht mehr loszulassen, auf dem Bett, auf dem Sofa, auf der Küchenspüle, im Geräteschuppen …
»Maike?«
»Nein«, sagte ich, machte eine heftige Bewegung mit dem Knie und schüttelte ihre Hand ab.
»Heißt das, du willst nicht über deinen Traum sprechen?«, singsangte Dr. Sidhoo. »Oder dass du keinen hast?«
Ich versuchte, sie anzulächeln, und merkte selbst, dass es etwas verkniffen geriet. Jetzt fiel mir endlich die rettende Wendung ein.
»Viel besser«, sagte ich, »er hat sich längst erfüllt.«
Dr. Sidhoo schwieg.
»Ich habe doch alles, was ich immer wollte«, sagte ich und merkte, dass ich schon wieder zu laut sprach. »Ich habe einen wunderbaren Mann und eine wunderbare Tochter. Und ein Haus mit Garten und ein Tandem und einen guten, erfüllenden Job …«
Je länger ich sprach, desto falscher hörte es sich an. Dabei war es doch objektiv alles richtig.
Ich warf einen Seitenblick auf Geli Schatz. In diesem Moment hätte ich dringend eine Verbündete gebracht, eine Frau, die bedächtig nickte, weil sie ganz genau wusste, wovon ich redete. Aber zu meinem Bestürzen blickte Geli melancholisch und nachdenklich auf das Muster des Linoleumbodens.
»Eine Tochter«, sagte sie dann sehnsüchtig, »eine Tochter hätte ich auch immer gern gehabt …«
»Du hast doch einen Sohn«, fiel ich ihr ins Wort.
»Ja, aber zwischen Mutter und Tochter ist es doch noch mal was anderes, wenigstens, wenn die Kinder größer werden. Weil man doch ganz anders miteinander reden kann. Der Mucki … also, wenn ich den frage, wie’s ihm geht, dann betet er mir vor, welche Geschäftstermine er in den letzten Wochen hatte. Der kann das nicht so in Worte fassen.«
»Ja dann«, sagte Dr. Sidhoo mit einem unergründlichen Lächeln zu mir, »dann herzlichen Glückwunsch. Dann müsstest du ein Mensch sein mit absolut ausgeglichener Energie, mit einer großen Harmonie zwischen Körper, Seele und Geist.«
Was sollte denn jetzt dieses »müsste«?
»Ja«, sagte ich schlicht.
»Ja«, wiederholte Dr. Sidhoo ruhig.
Diese sanftäugige Kuh glaubte mir kein Wort.
Frechheit.
»Also, mir würde schon was einfallen.«
Alle wandten die Köpfe. Wahrscheinlich kam uns allen der gleiche Gedanke.
Dass Geli sich zu etwas äußerte, das nicht im Schnäppchenführer stand, kam einigermaßen überraschend.
»Geli«, sagte Dr. Sidhoo sanft. »Geli, du hast also einen Traum. Einen Traum, den du mit uns teilen möchtest.«
»Eine Tochter?«, schlug ich vor.
Geli schüttelte den Kopf. »Nein, nein … Eine Katzenpension.«
Bevor ich in haltloses, nervöses Gelächter ausbrechen konnte, warf ich einen Seitenblick auf die beiden anderen Frauen im Raum. Das brachte mich schnell zum Schweigen. Sowohl Dr. Sidhoo als auch Bärbel hatten ihren warmherzigsten Therapeutenblick aufgesetzt und sahen Geli liebevoll an.
»Eine Katzenpension«, wiederholte Dr. Sidhoo freundlich.
»Na ja.« Geli knetete nervös ihre Fußgelenke und sah zu Boden. »Ich hab das noch nie jemand erzählt, weil … man soll ja immer dankbar sein für das, was man hat, und im Grunde hab ich es ja gut gehabt, weil, so richtig viel arbeiten, das hätte ich nie gewollt, und dann kam ja der Lütte, und dann wieder einzusteigen, mit über vierzig, da nimmt einen ja keiner. Da war ich dann ja froh, dass Hans-Gerd immer gut für uns gesorgt hat, und ich hab ja auch den Überblick über die Finanzen gehabt, du bist meine kleine Finanzministerin, so hat er mich immer genannt, und das ist ja auch eine Aufgabe, aber …«
»Wie alt ist denn der
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