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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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fragte Dr. Sidhoo. »Ich sagte doch, es ist alles schon da.«
    »Alles vielleicht schon, aber nicht alle«, erklärte ich.
    Geli und Bärbel lachten, und ich fühlte mich ausgeschlossen. Was wussten die, was ich nicht wusste?
    »Das ist ein Glücksvortrag«, klärte mich Bärbel auf. »Da können wir doch keine Männer gebrauchen.«
    Suchend sah ich mich um und deutete schließlich auf die leere Matte.
    »Wer fehlt denn noch?«, fragte Geli.
    »Richtig«, sagte Dr. Sidhoo zu mir, »deine Freundin ist noch nicht da.«
    »Ann ist nicht meine Freundin. Nur meine Zimmergenossin.«
    »Hast du jetzt eigentlich mal mit Frau Schleibinger geredet, wegen des Einzelzimmerzuschlags?«, wisperte Geli mir zu und ruckelte unbehaglich auf ihren Sitzknochen hin und her.
    »Deine Freundin wird wohl ihre Gründe haben, die wir nicht beurteilen können und auch nicht verurteilen«, predigte Dr. Sidhoo.
    »Sie ist nicht meine Freundin«, wiederholte ich, aber Dr. Sidhoo überging meine Bemerkung.
    »Zur Einstimmung legen wir uns rücklings auf unsere Matte in einer Position, die sich für uns gut anfühlt. Wir schließen die Augen und spannen nacheinander verschiedene Körperteile an, um sie danach komplett zu entspannen.«
    »Das erinnert mich an mein letztes Seminar von der Krankenkasse«, wisperte Geli. »Die zahlen pro Jahr zwei Gesundheitskurse nach Wahl, das sollte man nicht verfallen lassen. Und was die alles anbieten, Burn-out, Glyx-Diät …«
    »Während der Entspannungsphase sprechen wir nach Möglichkeit nicht«, mahnte Dr. Sidhoo, »und wir identifizieren uns nicht mit unseren eigenen Gedanken. Wenn welche kommen, lassen wir sie einfach vorbeiziehen.«
    Na bravo. Dr. Sidhoo hätte mir genauso gut befehlen können, während der nächsten halben Stunde nicht an einen rosa Ele fanten zu denken. »Wir heben das linke Bein ein paar Zentimeter, spannen es an, und fallen lassen.«
    Jetzt, da sie nur das Wort »Gedanken« ausgesprochen hatte, standen gleich drei rosa Elefanten im Zimmer.
    Der erste hatte natürlich den Körper meiner Tochter. Meiner Tochter im Minirock, wie sie vor einer Kamera …
    »Wir drehen den Kopf liebevoll von der rechten auf die linke, von der linken auf die rechte Seite …«
    Die beiden anderen Elefanten, das fiel mir zum ersten Mal auf, hatten Namen, die sich reimten.
    Jan und Ann.
    Wo war Ann eigentlich abgeblieben? Schon zum Frühstück war sie nicht mitgekommen, weil ihr wieder »unwohl« war, wie sie es ausgedrückt hatte.
    »Zum Schluss öffnen wir weit den Mund, reißen die Augen auf und machen dreimal den Löwen.«
    Mit aufgerissenen Augen sahen Geli Schatz und ich uns verwirrt an. Bärbel war voll in ihrem Element, ließ eine beeindruckend lange Zunge aus ihrem Mund hervorschnellen und keuchte dabei wie ein ausgewachsenes Raubtier.
    Zufrieden blickte Dr. Sidhoo zwischen uns hin und her.
    »Und jetzt nehmen wir wieder eine bequeme Position ein.«
    Bärbel verknotete sich in einem abenteuerlichen Drehsitz, die angewinkelten Beine zur einen Körperseite gewandt, Kopf und Schultern zur anderen. Geli und ich setzten uns einfach in den Schneidersitz. Dabei lauschte ich angestrengt auf Schritte auf dem Flur. Einmal war mir, als hörte ich welche näher kommen. Aber dann entfernten sie sich ebenso schnell wieder.
    »Ich möchte euch heute ermutigen, über euer Dharma nachzudenken«, sagte Dr. Sidhoo. »Dharma, das heißt so etwas wie Bestimmung, Lebensziel. In jeder von euch schlummern tief verborgene Träume und Wünsche. Wie ich anfangs schon sagte: Alles, was ihr braucht, um sie zu verwirklichen, liegt in eurer eigenen Hand. Es ist alles da. Ihr müsst es nur nutzen.«
    Bärbel nickte beflissen, Geli verhalten. Ich sah Dr. Sidhoo nur an.
    Wahrscheinlich war das der Fehler.
    Dabei hätte ich es besser wissen müssen. Störern und Provokateuren den Wind aus den Segeln nehmen, indem man sie einbezieht – wie häufig hatte ich meine Unterrichtsstunden selbst auf diese Weise gerettet?
    »Maike«, sagte sie warmherzig und legte mir eine Hand aufs Knie, »erzähl mal. Welchen Traum hast du in deinem Leben, der noch auf seine Erfüllung wartet?«
    Denjenigen drannehmen, der sich garantiert nicht von selbst meldet. Die kannte wirklich alle meine Tricks. Und wandte sie gegen mich an.
    Normalerweise hätte mich die Frage nicht in Verlegenheit gebracht. Es gab genügend Dinge, die ich mir wünschte. Eine Fahrradtour an der Moldau zum Beispiel, und auch den stellvertretenden Direktorenposten hätte mir meine

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