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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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nicht ewig.«
    Ich nickte resigniert. »Ich weiß schon. Wenn es gar nicht anders geht, muss ich eben noch bis morgen früh bleiben.«
    Der Sanitäter nickte ermutigend. »Jau. Plus minus zwei, drei Tage.«
    Gerade wollte ich wütend protestieren und ihm erklären, dass selbst im harten Winter 1986 der Verkehr nur zweiundsiebzig Stunden lahmgelegt gewesen war, da ging hinter mir sirrend die automatische Tür auf. Ich drehte mich um und sah ein Paar hereinwanken, dem die Panik ins Gesicht geschrieben stand. Die Frau war blass, hatte strähnige blonde Haare und schob einen gewaltigen Schwangerschaftsbauch vor sich her. Darüber spannte sich ein Fleeceshirt mit der Aufschrift »Boldsumer Strandpiratin«.
    Die Krankenschwester hinter dem Empfangstresen blickte erschrocken auf. »Jessica«, rief sie, kam um den Tresen herum und lief auf die Blonde zu, »was machst du denn für Sachen?«
    »Weiß auch nicht«, stöhnte Jessica, »ich dachte ja, ich hab noch drei Wochen, aber vorhin, da war ich auf dem Sofa eingepennt und wach auf, und alles ist nass!«
    Die Krankenschwester schüttelte entnervt den Kopf. »Und dann kommt ihr zu Fuß hierher? Ich hab dir doch gesagt, du sollst liegen, wenn die Fruchtblase platzt!«
    »Ja, ja, hast du«, murmelte Jessica ergeben.
    »Und außerdem haben Mama und ich dir schon vor Wochen gesagt, dass du rechtzeitig aufs Festland sollst, wenn du im November Termin hast, weil da schon mal die Fähren ausfallen kön nen!«, schimpfte sie weiter. »Aber du wolltest ja nicht auf mich hören.«
    Der dünne Mann neben Jessica stand da wie ein begossener Pudel und starrte auf den grauen Fliesenboden.
    Der Sanitäter warf bedächtig seine Bananenschale in einen Behälter mit der Aufschrift »Restmüll«, dann ging er in eine Kammer um die Ecke und kam mit einem Rollstuhl mit blauem Kunststoffpolster wieder heraus. »Kopf hoch, Jessi«, sagte er, »wir werden das Kind schon schaukeln.«
    Jessica setzte sich vorsichtig hin. Das Polster quietschte unter ihrem Hintern. »Da ist noch eine Kleinigkeit«, flüsterte sie. »Das Baby … Also, soweit ich weiß, liegt es falsch rum.«
    Es wurde still im Foyer. Nur der Springbrunnen plätscherte teilnahmslos vor sich hin.
    »Das Baby liegt falsch herum? Und das sagst du mir jetzt? «, fauchte die Krankenschwester.
    Jessica nickte stumm.
    »Okay«, sagte die Krankenschwester schließlich mit einer müh sam unterdrückten Mischung aus Wut und Panik, »ab in den Rettungswagen und zum Flugplatz. Ich sag den Kollegen im Kreis krankenhaus Husum Bescheid, dass sie alles für die Sectio vorbereiten.«
    »Aber ich will keinen Kaiserschnitt«, jammerte Jessica. »Wir wollten doch ganz natürlich! Ich hab sogar eine CD mit Entspannungsmusik dabei.«
    Die Krankenschwester beugte sich über Jessica und packte sie an den Schultern. »Jetzt mach hier keinen Aufstand, Kleine«, sagte sie mahnend, »du weißt genau, dass wir dafür nicht ausgestattet sind. Und außerdem warst du selbst ein Kaiserschnittbaby, und Mama hat das auch gut überstanden.«
    »Rufst du Mama an?«, fragte Jessica verzagt. »Mama soll mitkommen!«
    Die Krankenschwester zuckte die Schultern. »Ich fürchte, daraus wird nichts«, seufzte sie. »Mama ist auch auf Hooge. Bei Tante Friedel.«
    Währenddessen schob der Sanitäter Jessica eilig zum Ausgang und sprach in sein Walkie-Talkie. Ich verstand etwas von »Wagen auf P 1« und »Heli klarmachen«, dann sah ich durch die gläserne Automatiktür die Rücklichter eines Rettungsfahrzeuges und hörte, wie die Hecktüren geöffnet wurden.
    Die Krankenschwester schüttelte den Kopf und zog schließlich den vergessenen Teebeutel aus ihrer Tasse. Dann sah sie mich an.
    »Sehen Sie?«, fragte sie und klang dabei halb entnervt, halb triumphierend.
    Ich fragte mich, warum Menschen in entscheidenden Momenten meines Lebens immer ausgerechnet diese Frage stellten.
    »Was soll ich sehen?«, gab ich ähnlich entnervt zurück. »Ihre Schwester bekommt ein Baby. Sie werden Tante. Herzlichen Glück wunsch.«
    »Das«, sie deutete auf die Schiebetür, hinter der Jessica gerade auf einer Rettungstrage Platz nahm, » das ist ein Notfall.«

15
    »Der Sturm hat nachgelassen«, sagte Jan.
    Ich hob überrascht den Kopf. Schon eine ganze Weile stapften Jan und ich nebeneinanderher, getrennt von den anderen, und ab und zu hatte ich ihn kurz und scharf einatmen hören, als wollte er etwas sagen. Aber im letzten Moment hatte er es sich anscheinend jedes Mal anders überlegt. Es war

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