Friesenherz
bringen, ehe sein Kumpel kam? Oder eine Mischung aus beidem?
»Kein Wunder«, sagte Jan und machte mit dem Kinn eine Be wegung zum Bildschirm, um seine Hände nicht von meinem Bauch nehmen zu müssen. »Das Monster, das bin ja auch ich.«
Ich kicherte einfallslos. Offensichtlich konnte ich nicht beides sein: reaktionsschnell und voller Lust.
»Das Ding aus dem Sumpf«, erläuterte Jan stolz. »Mein Avatar. Hab ich mir selbst designt. Gibt eine spezielle App für so was. Aller dings auch erst ab dem fünften Level. Ab drei Millionen Punkten.«
»Sehr sexy«, gab ich zurück.
»Jetzt fang du nicht auch noch an.« Jan schmollte. »Das hat Frauke auch immer gesagt.«
Der Name machte mich hellhörig.
»Und was hat sie sonst noch so gesagt?«
Jan ließ seine Hände spielerisch in meinen Hosenbund gleiten. Den Bund einer sehr praktischen Outdoor-Hose. Augenblicklich bereute ich, dass ich mich nicht umgezogen hatte. Ausgerechnet bei diesem Treffen, bei dem es passieren sollte, stand ich wieder vor ihm, als würden wir gleich zu einer Wattwanderung aufbre chen. Andererseits: Wenn ich mich von seinen Monsterohren nicht stören ließ, würde es ihm sicherlich egal sein, ob ich ein kleines Schwarzes trug oder eine große blaue Funktionshose.
»Na ja, die fand das halt total blöd, dass ich mir so einen Charakter ausgesucht habe für das Spiel. Wo sie doch die Prinzessin des ersten Herzogs aus dem Nordwaldreich war. Da fand sie, ich müsste mindestens einer von den Furchtlosen Recken aus der Süd welt sein. Dabei hat mich das sowieso genervt, dass sie unbedingt mitspielen wollte. Ich meine, wir haben uns doch sowieso schon ständig gesehen. Im Real Life. Und dann auch noch online, bei › Doom of the Dark‹.«
Während er mir meine Hose über den Po streifte, redete er unbekümmert weiter, als ständen wir im dänischen Waffelladen am Tresen und teilten uns eine Portion mit Vanilleeis und roter Grütze.
»Weißt du, die Leute hier, die wissen alle mit zwanzig schon, wo sie spätestens mit vierzig landen werden. Welche Läden sie erben oder welche Pensionen oder welchen Strandkorbverleih. Ist ja auch ganz cool, heute, wo es so wenig sichere Arbeitsplätze gibt, aber irgendwie … wo bleibt denn da die Fantasie? Verstehst du?«
Mucki fiel mir ein, der mit siebenunddreißig Jahren keinen Jahresurlaub an der Nordseeküste buchte, ohne sein Reiseziel vor her bei einem Schnupperwochenende getestet zu haben. Ich nickte langsam. »O ja«, sagte ich, »sogar sehr gut.«
Jan ging in die Knie und streifte mir erst die Schuhe, dann die Hose und den Slip ab, ruhig und bedächtig, so, wie wenn man ein kleines Kind auszog. Ich starrte auf das Ding aus dem Sumpf auf Jans Flachbildschirm. Es hatte einen gespaltenen Schwanz mit zwei zackenbesetzten Spitzen. Die Spitzen waren lila.
Dann stand Jan in einer fließenden Bewegung wieder auf und schob mir die Hand zwischen die Beine. Dabei gab er einen genießerischen Laut von sich.
»Ich weiß«, flüsterte er, »ich weiß genau, warum du hier bist.«
»You only live once«, flüsterte ich.
»Genau. Yolo«, wisperte er zurück.
Offensichtlich sprachen wir doch die gleiche Sprache. Unsere Körper, unsere Worte. Wenigstens ab und zu.
Ich versuchte, mich umzudrehen. Das war wohl keine gute Idee, denn Jan nahm seine Finger dort weg, wo sie sich gerade erstaunlich richtig anfühlten. Dann hielt er mit beiden Händen meine Handgelenke fest. Verwundert stellte ich fest, dass mir das gefiel. Jung und rücksichtslos. So war Torge nie gewesen. Auch mit fünfundzwanzig nicht.
Dafür war er es jetzt mit zweiundvierzig. Rücksichtslos. Nicht jung.
Ich schob den Gedanken energisch weg. Nichts, aber auch gar nichts sollte mir diesen Moment verderben.
Ich spürte, wie das Handy in meiner Innentasche vibrierte. Wahrscheinlich Torge, wahrscheinlich zum fünften Mal die Mailbox, die versuchte, mich anzurufen. Sollte sie ruhig. Ich war vorübergehend nicht erreichbar.
»Bleib so«, flüsterte Jan, »genau so will ich dich.« Dann fuhr er mit seiner Zungenspitze in mein Ohr, und ich fuhr zusammen. Bis zum heutigen Tag hatte ich es für ein Gerücht gehalten, dass Menschen so etwas wirklich taten: Ohrmuscheln lecken. Aber was hatte ich auch für eine Ahnung! Torge hatte mich ja auch nie halb nackt gegen den Schreibtisch gedrängt und mich beim Sex auf Monster blicken lassen. Der hatte Kassetten aufgenommen, später CDs gebrannt, mit den schönsten Schlafzimmersounds. Und immer für ein zusätzliches
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