Friesenkinder
unerfülltem Kinderwunsch oder einer Fehlgeburt gegeben hat«, warf Marlene ein, die nach wie vor sicher war, das Motiv der Entführung läge in der Sehnsucht nach einem Kind begründet.
»So viele Gynäkologen wird es hier in der Gegend ja nun nicht geben, oder?«
Der Beamte blickte Marlene mahnend an. Anscheinend ärgerten ihn ihre Vorschläge für seine Ermittlungen in diesem Fall.
»Das dürfte kaum möglich sein«, wiegelte er ihren Hinweis ab. »Wegen der Schweigepflicht bekommen wir keine Auskünfte.«
Marlene wusste, mit einem richterlichen Beschluss konnte man sehr wohl Informationen von Ärzten über deren Patienten erhalten. Dennoch schwieg sie. Was brachte es, sich mit diesem Polizisten anzulegen? Obwohl ihr Miriam Kuipers natürlich mehr als leidtat, und wenn sie sich vorstellte, selbst in der Situation zu sein, dann würde sie wollen, dass alles Erdenkliche unternommen wurde, um Niklas zu finden. Sie nahm sich vor, gleich nachher, wenn sie zu Hause war, bei Dirk anzurufen. Vielleicht konnte er die Ermittler in Husum ein wenig auf Trab bringen.
Der Beamte verabschiedete sich und Marlene nahm Niklas aus dem Bettchen und zog ihm eine Mütze und ein dickes Jäckchen an. Dann legte sie ihn in den Maxi-Cosi und nahm ihre Reisetasche.
Sie war froh, endlich nach Hause zu dürfen, und wollte keine Minute länger als nötig hier verbringen. Nur flüchtig verabschiedete sie sich von den Schwestern. Miriam Kuipers hatte sie bereits vor der Befragung Auf Wiedersehen gesagt und betont, sie hoffe, man würde den Kleinen bald finden. Die junge Frau hatte müde genickt, was Marlene auf die Medikamente zurückgeführt hatte. Miriam Kuipers bekam noch immer starke Beruhigungsmittel. Marlene ahnte, die Frau würde ein psychisches Wrack sein, sollte man das Baby nicht finden.
Als sie vor die Tür traten, fiel von ihr eine Last ab. Trotz des miesen Wetters war die Luft sauber und frisch und Marlene hatte das Gefühl, nach Tagen endlich wieder einmal durchatmen zu können. Sie hätte am liebsten gleich draußen einen Spaziergang gemacht, doch das hätten weder ihre Narbe noch Niklas vertragen.
Daher folgte sie Tom zum Wagen und freute sich, wie stolz er den Maxi-Cosi trug. Das hatte sie sich immer gewünscht. Eine richtige Familie – nun waren sie es endlich.
Die Fahrt verlief relativ ruhig. Irgendwie hing jeder seinen Gedanken nach und sowohl Marlene als auch Tom vergewisserten sich ständig, ob es Niklas auf dem Rücksitz auch gut ging.
Es war ungewohnt, mit dem Baby nun ganz auf sich gestellt zu sein. Endlich erreichten sie Risum und Tom bog von der B5 Richtung Maasbüll ab. Seit einigen Jahren wohnten sie an der Grenze zu diesem Ortsteil von Risum-Lindholm. Tom hatte vor einiger Zeit ein Haus von seinem Onkel geerbt und war aus München hierhergezogen. Mit viel Liebe und einer Menge Schweiß hatte er mit Haies Hilfe das Haus wieder schön hergerichtet. Das Kinderzimmer hatte er mit einer Clownstapete tapeziert und die hauptsächlich von Marlene ausgewählten Möbel aus Tondern zum größten Teil selbst montiert. Das hatte die Vorfreude auf das Baby noch gesteigert. Er konnte es kaum abwarten, bis Niklas das erste Mal in der hölzernen Wiege lag, für die Marlene einen hellblauen Himmel genäht hatte.
Als sie vor dem Haus stoppten, war Toms Vorfreude jedoch wie weggeblasen. Eigentlich hatte Haie doch vorgehabt, am Tage ihrer Rückkehr eine Girlande und eine Wäscheleine mit Kinderklamotten aufzuhängen. Jedenfalls hatte er das seit Wochen bei ihm angekündigt und schließlich hatte er ihn heute Morgen deswegen extra noch angerufen. Doch weder ein Willkommensgruß noch Haies Fahrrad waren irgendwo zu sehen. Ob er sich eine andere Überraschung überlegt hatte, grübelte Tom, als er aus dem Wagen stieg und anschließend vorsichtig den Maxi-Cosi aus dem Auto hob.
Doch auch die Eingangstür war verschlossen. Von Haie keine Spur. Wo steckte der Freund nur?
12.
Dirk Thamsen streckte sich und blickte auf seine Uhr. Es wurde langsam Zeit, sich auf den Weg ins Krankenhaus zu machen. Schon vor Stunden hatte er dort angerufen und sich nach dem Besitzer der Taverne erkundigt. »Ich komme heute Nachmittag zur Befragung«, kündigte er dann an.
Doch die Befragung der Zeugen hatte ewig gedauert. Gemeinsam mit dem Kellner und Stefan Matzen, den sie ebenfalls noch einmal aufs Revier gebeten hatten, waren sie die Dateien und Fotos durchgegangen. Vor allem der Hundebesitzer, der aufgrund der Entfernung eigentlich am
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