Friesenkinder
antworteten beide wie aus einem Mund. »Und wer wohnt hier sonst noch so?« Er gewann an Sicherheit und begann, im Raum herumzuspazieren. Die Frauen hielten ihn doch zum Narren. Hier stimmte ganz eindeutig etwas nicht.
»Ich denke, es ist besser, Sie gehen jetzt«, sagte Sonja Andersen betont laut und kritzelte gleichzeitig etwas auf ein Stück Papier. ›Wir werden hier gefangen gehalten. Ole ist im Haus.‹ Thamsen nickte, als er die Worte auf dem Zettel las. »Gut, wenn Sie meinen«, entgegnete er ebenso laut und fügte ohne Stimme hinzu: »Ich kümmere mich.« Sonja Andersen las den Satz von seinen Lippen ab und augenblicklich flammte Panik in ihren Augen auf. Thamsen versuchte, sie zu beruhigen, indem er ihre Hand drückte. Auf keinen Fall durfte Ole Lenhardt Verdacht schöpfen. Er würde Verstärkung holen, denn allein konnte er wenig ausrichten. Am besten beantragte er einen Durchsuchungsbeschluss beim Staatsanwalt. Bestärkt in seiner Entscheidung wurde er, als er langsam durch den Flur zur Haustür ging und einen kurzen Blick in einen der angrenzenden Räume werfen konnte. An der Wand standen mehrere Babybetten und soweit er sehen konnte, lagen auch in einigen Babys. Mit Sonja Andersens Zettel in der Hand verabschiedete er sich und verließ den Hof über die Auffahrt. Als er außer Sichtweite war, griff er zu seinem Handy und wählte die Nummer der Husumer Kollegen.
»Ja, Durchsuchungsbeschluss!«, bestätigte er seine Forderung, nachdem er den Sachverhalt geschildert hatte. Diesmal hatten sich die Kollegen nicht lang bitten lassen und versprochen, sofort eine Einheit zu schicken und sich selbst ebenfalls gleich auf den Weg zu machen.
»Gut.« Thamsen war zufrieden und ging zurück zu seinem Wagen. Er wollte auf dem Feldweg warten, bis die Verstärkung eintraf. In der Zwischenzeit konnte er seine Mitarbeiter informieren und endlich Haie Ketelsen anrufen.
»Dirk, na endlich«, meldete sich der Freund. »Ich bin hier auf eine ganz heiße Spur gestoßen.« Thamsen konnte förmlich Haies vor Eifer glühendes Gesicht vor sich sehen, während dieser ihm von dem Vorfall in der Praxis und seiner Vermutung, dass die Frau, die durch die unterlassene Hilfeleistung von Dr. Merizadi ihr Kind verloren hatte, etwas mit den Fällen zu tun haben könnte.
»Ich weiß nicht. Wir verfolgen gerade eine weitaus vielversprechendere Spur«, erwiderte er und wollte Haie damit andeuten, dass er sich wahrscheinlich auf einer falschen Fährte befand. Immerhin gingen sie davon aus, dass die Rechten den Arzt umgebracht hatten. Alles sprach dafür. Wenn sich die Annahme Dr. Prusts bewahrheitete und die Nazis den Arzt erpresst hatten, dann passte wirklich alles zueinander. Die zahlreichen Frauen der Nazis, die alle schwanger waren, der Hof mit den Kinderbetten und den vielen Babys. Ein Puzzlestück fügte sich zum anderen. Wahrscheinlich hatte es vor Kurzem Streit zwischen Dr. Merizadi und den Typen gegeben, da hatten sie ihn kurzerhand ermordet. Obwohl es natürlich dumm gewesen war, da ihnen nun niemand mehr half, reinrassige Kinder zu züchten.
Wie allerdings die Entführung von Miriam Kuipers’ Baby und dessen Leiche an der KZ-Stätte in das Bild passen sollten, wusste er noch nicht genau. Vielleicht war das Baby nicht reinrassig gewesen und musste deshalb sterben? Oder weil es bei der Geburt bereits kränklich war?
Doch ehe er mit Haie weiterdiskutieren konnte, sah er einen Mannschaftswagen der Polizei näherkommen.
»Ich muss. Es geht los. Ich melde mich wieder.« Ohne die Reaktion des Freundes abzuwarten, legte er auf und stieg aus dem Wagen. Er stellte sich an den Straßenrand und wartete, bis das Fahrzeug neben ihm hielt.
»Wir sollen nicht ohne Befehl von Kommissar Meister reingehen. Ist er schon da?«, fragte der Leiter der Einsatztruppe, als Thamsen auf den Hof wies.
»Nein, aber es ist Gefahr im Verzug.«
Er glaubte, die Kommissare aus Husum wollten den Hof nicht ohne Durchsuchungsbeschluss stürmen. Sie waren in Thamsens Augen echte Weicheier. Jeden ihrer Schritte ließen sie sich von oben absegnen. Er hätte darauf bestehen sollen, den Verfassungsschutz bereits früher einzuschalten.
»Wir gehen jetzt rein!«, bestimmte er und da er momentan der Ranghöchste am Einsatzort war, mussten die Leute seinem Befehl folgen. Er stieg zu ihnen in den Wagen und gemeinsam fuhren sie auf den Hof.
»Also«, instruierte er die Einsatzkräfte, »es sind mindestens drei Frauen, etliche Kinder und Ole Lenhardt im Haus. Ich
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