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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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Die Kundin schniefte laut.
    Haie betrachtete die schwangere Frau. Seltsamerweise konnte er die Frau nicht zuordnen. Sie konnte folglich nicht aus dem Dorf sein, dessen Einwohner er ja alle kannte. Schließlich war Haie in Risum-Lindholm aufgewachsen und hatte ebenso wie Helene – nur auf eine viel diskretere Art – ein Auge auf die Menschen hier.
    »Entschuldigung, aber was hatten Sie denn mit Dr. Merizadi zu tun?«, mischte er sich nun doch ein. Die Frau musterte ihn von oben bis unten.
    »Das ist Frau Nissen, eine der Arzthelferinnen«, beeilte Helene sich zu erklären, der wie immer aufgrund ihres Wissensvorsprungs die Brust schwoll.
    »Na, so toll kann Ihr Herr Doktor aber nicht gewesen sein«, provozierte Haie die Frau absichtlich. Er fürchtete, ansonsten würde sie nicht mit ihm reden. Und seine Rechnung ging auf.
    »Wie kommen Sie darauf?«, erwiderte sie empört.
    »Na, gab es da nicht neulich mal einen Notfall und Dr. Merizadi hat die Frau keines Blickes gewürdigt?«
    Helene war nun ebenfalls ganz Ohr. Wenn es etwas Neues, Sensationelles gab, war sie immer mit von der Partie.
    »Echt?«, hakte sie daher gleich nach.
    »Davon weiß ich nichts«, zischte die Frau nun Haie an.
    »Ich habe gehört, dass eine Frau in der Praxis ihr Baby verloren hat, weil Dr. Merizadi ihr nicht geholfen hat.«
    »So, haben Sie also gehört?«
    Die Frau war mittlerweile puterrot im Gesicht. Hektisch kramte sie in ihrer Tasche nach der Geldbörse, doch Helene hatte es mit dem Kassieren gar nicht eilig. Sie interessierte der Fall nun erst recht.
    »Und der Arzt hat nicht geholfen …?« Sie blickte Haie fragend an. Der schüttelte nur den Kopf. Helene hingegen sprach aus, was auch ihm bereits in den Sinn gekommen war.
    »Aber das ist doch dann auch so etwas wie Mord oder zumindest unterlassene Hilfeleistung?«
     
    Thamsens rechter Fuß war eingeschlafen. Er saß immer noch zusammengekauert unter dem Fenster und wartete, was als Nächstes geschehen würde. Die Stimmen waren ohne erkennbaren Gesprächsabschluss schon seit einigen Minuten verstummt. Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor und er überlegte fieberhaft, was er tun sollte.
    Wenn er versuchte, sich wieder wegzuschleichen, bestand erneut die Gefahr, dass man ihn entdeckte. Vielleicht aber hatten die Kerle ihn auch schon längst bemerkt und lauerten ihm bereits auf. Warum sonst war es so still? So verdammt still?
    Plötzlich hörte er ein Knirschen, dann das Schlagen von Autotüren. Er robbte bis zur Hausecke vor und konnte gerade noch den Mercedes, in dem vier Männer saßen, vom Hof fahren sehen. Nervös überlegte er, ob er mehr männliche Stimmen bei seinem ›Lauschangriff‹ hatte ausmachen können, oder waren nun alle Kerle ausgeflogen? Er besann sich nicht lang, stand auf und ging ums Haus herum zur Eingangstür. Da es keine Klingel gab, klopfte er.
    Sein Herz schlug bis zum Hals. Hier draußen würde keiner mitbekommen, wenn die Typen ihn abmurksten und irgendwo verscharrten. Nur gut, dass wenigstens Ansgar Rolfs wusste, wo er steckte. Er griff eilig zu seinem Holster, als er Schritte hörte. Das kalte Metall unter seinen Fingern gab ihm zumindest etwas Sicherheit.
    Plötzlich wurde die Tür geöffnet und Sonja Andersen stand vor ihm.
    »Sie?«
    Er nickte lediglich.
    »Was wollen Sie hier?«
    »Schauen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist.«
    Sie schüttelte verwundert den Kopf und trat zur Seite. Er deutete dies als Einladung, das Haus zu betreten, und folgte ihr in die Küche, in der zwei weitere junge Frauen saßen. Ihm fiel sofort ihr sehr nordisches Äußeres auf. Blonde Haare, blaue Augen, kräftiger Körperbau, blasser Teint. Beide Frauen stillten gerade jeweils ein Baby. Sie blickten erschrocken auf, als er den Raum betrat.
    »Keine Angst«, versuchte er sie zu beruhigen und sich gleich mit. Er wusste immer noch nicht, ob sich nicht noch weitere Neonazis im Haus aufhielten. Aber hätte die junge Frau ihn dann hereingelassen?
    Er blickte sich um. Der Raum wirkte sehr unordentlich. Überall standen Babyfläschchen und angebrochene Packungen mit Milchpulver herum. In der Spüle stapelte sich das Geschirr und auf der Arbeitsfläche leere Bierdosen.
    »Was machen Sie hier?«, fragte er Sonja Andersen, als sein Rundblick wieder bei der jungen Frau angekommen war. Sie zuckte die Schultern. »Wohnen.«
    »Aber Sie wohnen doch in Achtrup.«
    »Nicht mehr.«
    »Und Sie?« Er deutete beim Sprechen mit seinem Kopf auf die beiden anderen Frauen.
    »Wir wohnen auch hier«,

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