Friesenkinder
kann aber nicht genau sagen, ob sich noch mehr Personen drinnen aufhalten. Daher Vorsicht! Vor allem wegen der Kinder und Frauen, die dürfen auf keinen Fall zu Schaden kommen.« Die Männer nickten und machten sich bereit, während Thamsen vorsorglich einen Rettungswagen anforderte.
Aus sicherer Entfernung beobachtete er, wie die vermummten Männer zur Haustür schlichen und sie dann auf Kommando einschlugen. Anschließend verschwanden sie im Inneren des Hauses und Thamsen blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Zu gern wäre er mit den Jungs hineingestürmt, aber er musste warten, bis das Haus gesichert war. Es würde ohnehin schon genug Ärger mit den Kollegen wegen seines eigenmächtigen Vorgehens geben.
Gebannt starrte er auf die Eingangstür und die Zeit schien stehengeblieben zu sein. Endlich sah er einen Mann der Einsatztruppe, der ihm von der Tür aus ein Zeichen gab.
Er war gerade aus dem Mannschaftswagen gestiegen, als er das Auto der Husumer Kollegen auf den Hof fahren sah. Mit hochrotem Kopf stiegen beide Beamten aus und kamen wutschnaubend auf ihn zugestapft.
»Was ist denn daran nicht zu verstehen, wenn ich sage, es wird erst gestürmt, wenn wir da sind, hä?«
Thamsen zuckte mit den Schultern. »Gefahr im Verzug!«
Er drehte sich um und ging zum Haus. Hinter sich hörte er, dass die beiden Kollegen ihm, noch immer schimpfend, folgten.
Drinnen zeigte sich, wie richtig seine Entscheidung gewesen war. Die Männer in dem Mercedes hatten den Hof anscheinend verlassen, um weitere Fahrzeuge für eine Flucht zu organisieren, denn die Babys lagen bereits angezogen in ihren Maxi-Cosis. Es waren zwölf. Lautes Geschrei erfüllte den Raum, da sie von dem Lärm um sie herum erschrocken waren.
Auch die Frauen hatten sich fertiggemacht. Reisetaschen standen jedenfalls gepackt im Flur. Ganz offensichtlich wollten alle den Hof verlassen. Alle, bis auf einen. Ole Lenhardt saß am Küchentisch und rauchte genüsslich eine Zigarette. Dirk vermutete, der Kerl hatte ihn unter dem Küchenfenster entdeckt und daher die Räumung des Hauses in die Wege geleitet. Als Thamsen jedoch auch noch im Haus aufgetaucht war, hatte er es anscheinend äußerst eilig gehabt. »Herr Lenhardt, können Sie mir sagen, was das hier alles zu bedeuten hat?«
Der Angesprochene grinste und pustete betont lässig den Zigarettenrauch in seine Richtung.
»Wonach sieht es denn aus?«
»Sagen Sie es mir.« Obwohl Thamsen innerlich kochte, blieb er nach außen ungerührt.
»Wohngemeinschaft?« Oles Grinsen wurde noch breiter.
Thamsen drehte sich zu einem der Polizisten um.
»Okay, dann nehmt die Frauen und die Kinder mal mit aufs Revier. Und diesen Herrn bitte nach Husum. Um den kümmern sich wieder die Kollegen.«
Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum und stieß bereits im Flur auf die Husumer, die leicht fassungslos auf die Reihe der Babytragetaschen starrten und ihn fragend anblickten, als er zu ihnen trat.
»Also, ich nehme die Frauen mit. Mal sehen, was ich aus denen herausbekomme. Kümmert ihr euch wieder um Ole Lenhardt? Ich denke, es macht Sinn, die Gruppe zu trennen. Nicht, dass da indirekt Druck ausgeübt wird oder Absprachen getroffen werden.«
Die beiden nickten stumm.
Er griff nach zwei Maxi-Cosis und half, die Frauen und ihre Babys im Einsatzwagen unterzubringen.
»Bis gleich!«, rief er dem Beamten zu, als er die Tür zuwarf und zurück zu seinem Wagen ging. Einmal drehte er sich noch um und blickte auf den Hof, der idyllisch in der herbstlichen Sonne lag. Wie friedlich doch alles wirkte. Niemand würde vermuten, was für hässliche Dinge hier im Gang gewesen waren. Doch als die Kollegen mit Ole Lenhardt in der Haustür erschienen, wurde ihm wieder einmal schlagartig bewusst, wie sehr der Schein oftmals trog und nichts so war, wie es auf den ersten Blick erschien. Er schüttelte den Kopf und drehte sich um.
26.
Haie hatte sich von Thamsens Einwänden nicht aufhalten lassen. Sein seltsames Bauchgefühl bei dieser Sache ließ ihn einfach nicht zur Ruhe kommen. Wie so oft, war Haie, wenn es um die Aufklärung eines Mordfalles ging, nicht zu bremsen. Daher hatte er sich kurzer Hand auf sein Rad geschwungen und radelte an der Bahn entlang nach Leck.
Zuvor hatte er in der Praxis von Dr. Merizadi angerufen, um sich zu vergewissern, dass die Sprechstundenhilfe auch die Stellung hielt. Er hatte vorgegeben, eine Kondolenzkarte für die Witwe abgeben zu wollen, und gefragt, wie lange sie in der Praxis sei. Inge
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