Friesenrache
Flensburger Kollegen die weitere Vorgehensweise durch. Die beiden Beamten waren jedoch hinsichtlich der Frage, wie man den Verdächtigen zu einer Aussage bewegen konnte, ebenso ratlos wie er.
»Wir sollten nochmals alle Details prüfen«, schlug der Jüngere der zwei vor. »Vielleicht haben wir doch etwas übersehen. Es ist unwahrscheinlich, dass der Mörder gar keine Spuren hinterlassen hat.«
Thamsen stimmte dem Vorschlag des Kollegen zu. Was blieb ihnen auch anderes übrig, als sich wieder und wieder mit den einzelnen Hinweisen zu beschäftigen, in der Hoffnung, auf etwas bisher Unbemerktes zu stoßen?
Er hatte sich gerade mit den entsprechenden Akten in sein Büro zurückgezogen, als unvermittelt die drei Freunde auftauchten.
»Wir müssen Ihnen unbedingt etwas zeigen«, erklärte Haie ihren überfallartigen Besuch, ohne den Kommissar zu begrüßen. Er stürmte mit den Papierstücken in der Hand auf ihn zu.
»Sehen Sie, die Schriften stimmen absolut überein.« Thamsen warf einen prüfenden Blick auf die beiden Zettel und nickte. »Und?« Er hatte keine Ahnung, woher die Nachrichten stammten und welchen Bezug sie zu dem Mordfall hatten. Tom räusperte sich und erzählte, sie hätten den Papierschnipsel in dem Maisfeld aufgelesen, in welchem man Kalli Carstensens Leiche gefunden hatte. »Der Brief ist eine Liebesmitteilung an Sophie Carstensen.«
Der Kommissar schaute fragend auf. »Woher haben Sie den denn?« Ihm schwante nichts Gutes.
»Den haben wir gefunden«, versuchte Haie wie beiläufig Thamsens Frage zu beantworten. Doch der gab sich mit der unpräzisen Antwort nicht zufrieden. »Wo?«
Die Freunde holten tief Luft. Es blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als ihren Einbruch ins Haus der Carstensens zu gestehen.
»Sie haben was?« Thamsen erhob sich von seinem Stuhl, stemmte die Hände in die Hüften und blickte ungläubig. Tom und Haie zogen die Köpfe unter dem darauffolgenden Donnerwetter ein. Wie zwei begossene Pudel standen sie da, während Marlene versuchte, den Kommissar zu beruhigen und die illegale Vorgehensweise zu rechtfertigen.
»Die Polizei hat sich in ihre Theorie, dass Ulf Carstensen der Mörder seines Vaters ist, derart verbissen. Andere relevante Aspekte werden völlig ausgeblendet.«
Sie fasste kurz zusammen, was aus psychologischer Sicht gegen diesen Ansatz sprach und warum der Sohn ihrer Meinung nach deshalb nicht als Täter in Betracht kam.
»Wir gehen ja auch davon aus, dass das Motiv des Mordes in den Misshandlungen begründet ist, aber haben Sie sich schon einmal gefragt, wer außer Ulf ebenso daran interessiert gewesen sein könnte, Sophie Carstensen von ihrem tyrannischen Ehemann zu befreien?«
Das hatte er. Aber der Einzige, der ihm dazu in den Sinn gekommen war und der auch von anderen diesbezüglich belastet worden war, hieß Friedhelm Carstensen. Doch der hatte seiner Ansicht nach nichts mit dem Mord zu tun.
»Haben Sie sich denn schon einmal gefragt, ob der Sohn aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse nicht einfach die Realität verdrängt?«, fragte er deshalb ebenso provokativ zurück. Er hielt seine Theorie, Ulf Carstensen habe den Mord an seinem Vater aus seinen Erinnerungen gelöscht, weiterhin für durchaus denkbar.
Marlene stutzte einen Moment. Auch sie hatte von diesem Phänomen gehört. War es möglich, dass der Sohn der Misshandelten unter einer Art Trauma litt? In dem Fachbuch hatte sie nichts darüber gelesen.
»Aber die beiden Schriftstücke«, lenkte Haie die Aufmerksamkeit zurück auf den eigentlichen Grund ihres Besuches. »Ist doch gut möglich, dass dieser Tati etwas mit dem Mord zu tun hat. Sollten wir nicht das überprüfen, solange wir darauf warten, dass Ulf seinen angeblichen Gedächtnisverlust überwunden hat?«
»Wer ist denn dieser Tati überhaupt?« Thamsen nahm verstimmt die beiden vor ihm liegenden Zettel in die Hand. Insgeheim bewunderte er die drei Freunde, die unermüdlich nach dem Mörder suchten. Geradezu leidenschaftlich betrieben sie ihre privaten Ermittlungen und schreckten auch vor einer kleineren Straftat nicht zurück, wenn es der Aufklärung des Falles dienlich war.
Und sie lagen richtig – in beiderlei Hinsicht. Der Brief und der Papierschnipsel aus dem Maisfeld waren wirklich äußerst merkwürdig und könnten durchaus in Zusammenhang mit dem Mord an Kalli Carstensen stehen. Außerdem hatte er keine Idee, wie er Ulf Carstensen zu einem
Weitere Kostenlose Bücher