Friesenrache
heiß zu sein. Die Krankmeldung des Anwalts, der weiße Wagen und nicht zu vergessen der Bezug, den Dr. Münsterthaler zu der Familie Carstensen hatte, insbesondere zu Sophie Carstensen, waren äußerst verdächtig.
Aber die privaten Ermittler waren emotional zu sehr verwickelt, zumindest der Hausmeister. Das führte zwangsläufig zu einem forschen Vorgehen. Und solches konnte in einem Fall wie diesem durchaus hinderlich sein. Schließlich handelte es sich um Mord.
Er ließ seinen Blick durch die Gitterstäbe gleiten und entdeckte am hinteren Ende des Grundstücks eine winzige Lücke in der ansonsten dicht gewachsenen, mannshohen Hecke.
»Sie bleiben hier. Ich sehe mich ein wenig um«, bestimmte er, lief zu der schadhaften Stelle im Zaun und zwängte sich in den Garten.
Im Haus schien alles ruhig. Er ging einige Schritte über den akkurat geschnittenen Rasen zu einem geschlängelten Kieselsteinweg, der zu einer großzügigen Veranda führte. Dr. Münsterthaler hatte den Sommer anscheinend noch nicht verabschiedet. Hölzerne Gartenmöbel standen gemütlich arrangiert auf der mit Granitplatten gepflasterten Terrasse. Eine riesige Fensterfront gewährte Thamsen Einblick ins Innere des Hauses.
Wie erwartet, war die Ausstattung exklusiv und wirkte teuer. Inmitten eines riesigen Wohnzimmers stand ein schwarzer Flügel, an den Wänden hingen farbenfrohe Ölgemälde, die ihn an das Bild im Büro des Anwalts erinnerten.
Thamsens Blick wanderte durch den Raum und entdeckte weitere noble Details, die Dr. Münsterthalers Heim zu einem wahren Schmuckstück werden ließen. Der Anwalt selbst war allerdings nirgendwo ausfindig zu machen. Der Vogel scheint tatsächlich ausgeflogen zu sein, schlussfolgerte Thamsen, umrundete aber sicherheitshalber das gesamte Haus. Doch überall bot sich ihm das gleiche Bild. Geschlossene Türen und Fenster, hinter denen sich zwar eine wahre Goldgrube von Antiquitäten und Designerstücken befand, aber kein Dr. Münsterthaler.
Etwas ratlos kehrte er zur Lücke im Zaun zurück und verließ den Garten. Was sollte er nun tun? Sollten sie hier vor dem Haus auf den Verdächtigen warten? Oder war es vielleicht besser, wenn er später noch einmal wiederkam? Und zwar allein.
Völlig versunken in seine Gedanken, erreichte er die Gartenpforte und bemerkte erst jetzt, dass die drei Freunde verschwunden waren. Was stellen die nun schon wieder an?, fragte er sich und stöhnte dabei innerlich. Hätte er sich ja auch beinahe denken können, dass seine ambitionierten Begleiter nicht hier auf ihn warten würden.
22
Die schwarze Labradorhündin Sheyla genoss die ausgedehnten Spaziergänge, die ihr Herrchen in den letzten Tagen mit ihr zusammen unternahm. Aber sie spürte auch, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Völlig zerstreut führte er sie den kleinen Pfad am Kanal entlang, den Blick abwesend in die Ferne richtend.
Die schockierende Nachricht hatte ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Sophie, die Liebe seines Lebens, hatte sich umgebracht. Aufgehängt an einem Balken, hoffnungslos, verzweifelt, lebensmüde. Warum nur? Wieso hatte sie das getan? Sie war doch nun frei gewesen; frei von Schmerzen und Qualen, frei von dem gewaltsamen Tyrannen. Er hatte sie doch erlösen, ihr helfen wollen, und wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er gedacht, sie so nach all den Jahren endlich für sich zu gewinnen. Aber nichts von dem, was er sich so sehr erhofft hatte, war eingetreten.
Martin Münsterthaler fühlte eine gewaltige Leere in sich. Ein schweres, dumpfes Gefühl hatte vollends Besitz von ihm ergriffen, lähmte seine müden Glieder, nahm ihm die Luft zum Atmen. Er konnte nicht essen, nicht schlafen, nicht leben.
Schon immer hatte er Sophie Carstensen geliebt. Seit er sie das erste Mal gesehen und sich dieses kribblige Gefühl in ihm geregt hatte. Mit kleinen Gesten und Geschenken hatte er versucht, ihre Liebe für sich zu gewinnen: leidenschaftliche Briefe geschrieben, Liebesgedichte zitiert. Eine Weile hatte es auch so ausgesehen, als würde sie seinem Werben nachgeben.
Doch dann war Kalli plötzlich auf der Bildfläche erschienen, und Sophie hatte sich von ihm um den Finger wickeln lassen. Wie konnte sie nur auf diesen windigen Burschen reinfallen? Was hatte er ihr schon zu bieten? Martin Münsterthaler verstand bis heute nicht, was Sophie an diesem großspurigen Kerl hatte finden können.
Dennoch oder vielleicht gerade deswegen hatte er
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