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Friesenschnee

Friesenschnee

Titel: Friesenschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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dankend die Morgengaben entgegen, denen die Visitenkarte von ihrem Chef beigelegt war. Stadtteilheld wollte er nie werden. Darüber hinaus hatte ihn Petra Bester in der Rundschau als richtigen Superstar aufgebaut. Sollte er sie nicht einfach wieder einmal anrufen?
    Nein, entschied er. Das könnte Jenny irritieren, und eigentlich war er ja auch mit ihr glücklich. Stuhr blickte auf die Uhr. Zehn vor zehn, es wurde Zeit. Hastig spülte er den Saft hinunter, ließ den Becher mit dem erkalteten Kaffee einfach stehen und schwang sich auf sein Rad.
     
    Schlag 10 Uhr drückte er den Klingelknopf der Kanzlei Dr. Trutz am Dreiecksplatz. Ohne weitere Nachfrage konnte er die summende Tür aufdrücken, und ein Schild im Fahrstuhl verwies auf den 5. Stock. Wie in anderen Kanzleien ging er auf einen quer stehenden Tresen zu, hinter dem eine unbeteiligt wirkende Blondine hantierte.
    Entgegen üblicher kanzleilicher Gepflogenheiten stürmte Trutz aus einer offen stehenden Tür direkt auf ihn zu. »Guten Tag, Herr Stuhr. Schön, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben. Darf ich Sie in mein bescheidenes Refugium bitten?«
    Stuhr nickte überrascht ob dieser freundlichen Begrüßung und folgte ihm artig. Als die Tür von innen verschlossen war, klopfte der Rechtsanwalt ihm kumpelhaft auf die Schulter.
    »Tolles Ding, Herr Stuhr. Klasse, wie Sie dem Schurken auf das Dach gefolgt sind. Ich habe das alles in der Rundschau noch einmal genau nachverfolgt. Sie sind ein richtiger Held!« Der smarte Rechtsanwalt ging ohne Schnörkel zu einem Wandschrank und zauberte trotz der frühen Stunde eine Flasche edlen Whiskys hervor, der für Normalsterbliche sicherlich unbezahlbar gewesen wäre. Während er zwei Wassergläser halbvoll goss, begann er, über den Anlass des Treffens zu reden. »Ansonsten nicht meine Art, Herr Stuhr, so früh am Morgen. Aber wir werden über Dinge reden müssen, denen man sich lieber entziehen mag und die nüchtern manchmal kaum auszuhalten sind. Doch wir könnten rasch zu einer gütlichen Einigung kommen, denn es wird sich für uns beide lohnen. Prost.«
     
    Stuhr erwiderte gespannt den Trinkspruch und nippte vorsichtig am Glas.
    Dr. Trutz stürzte seinen Whisky erstaunlich schnell herunter und kam sofort zur Sache. »Es geht um die Angelegenheit Frau Dr. Rieder, aus Bonn. Sie kennen meine Mandantin, richtig?«
    Richtig oder falsch, in Stuhr bäumten sich längst vergessene Gefühle auf und Narben, die viele Jahre vergeblicher Hoffnung bedeckten, begannen wieder zu schmerzen. Angelika hatte er immer geliebt und in seinem Herzen hochgehalten. Er hatte seinerzeit alles für sie gegeben, wollte sogar seinen Job in der Landesregierung für sie aufgeben und wegen ihr nach Bonn ziehen. Er hatte bis heute nicht verstanden, woran ihre Liebe gescheitert war, denn mehr Liebe und Vertrauen als er konnte ein Mann einer Frau kaum schenken. Er hatte sich absolut nichts vorzuwerfen, doch nie hatte er wieder etwas von ihr gehört. »Das ist richtig, Herr Dr. Trutz. Wir waren sogar liiert.«
    Der Rechtsanwalt winkte ab. »Den Doktor lassen Sie mal einfach weg. Meine Mandantin hat nicht näher über Ihren Freundschaftsgrad berichtet, aber sie hat sehr respektvoll über Sie gesprochen. Nur als ich Frau Rieder gestern von Ihrer blonden Begleitung bei der Aufführung berichtete, wirkte sie irritiert. Unter uns, das war eine imposante Erscheinung, die Sie im Wasserturm begleitet hat. Darf ich fragen, ob Sie ein Paar sind?«
    Die Frage kam Stuhr verdächtig vor, denn sie stand in der Tradition des ständigen Misstrauens von Angelika. Er entschied, sich mit der Antwort bedeckt zu halten. »Nein, wir sind beide ungebunden. Die Dame ist eine Bekanntschaft für gemeinsame kulturelle Erlebnisse. Der Name tut nichts zur Sache.«
    Trutz zog die Augenbrauen hoch. »Lediglich eine platonische Freundschaft mit Frau Muschelfang? Das tut mir aber ausgesprochen leid für Sie.«
     
    Ohne Wimpernzucken nahm Stuhr zur Kenntnis, dass Trutz über das Wochenende recherchiert haben musste, denn im Wasserturm wurde sie von ihm schließlich noch als Frau Stuhr begrüßt. Warum hatte ihm der Rechtsverdreher einen Whisky eingeschenkt, bevor er auf Angelika kam? Als Dr. Trutz Whisky in sein Glas nachgoss, bohrte Stuhr nach. »Angelika Rieder ist auch eine imposante Erscheinung gewesen. Dennoch wurden wir letztendlich kein Paar.«
    An Dr. Trutz war bemerkenswert, dass er trotz der enormen Whiskyzufuhr am Morgen einen klaren Kopf behielt. »Ich weiß, Herr Stuhr,

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