Friesenwut - Kriminalroman
brauche, um den Hof insgesamt so herzurichten, damit er neben den
zurückzuzahlenden Zinsen, dem Geld für die Investitionen ein wenig für ihn
selbst abwarf. Die Banken wiederum fragten nach Sicherheiten. Marten konnte die
von ihm angegangenen Erneuerungsprojekte aufzählen, gleichwohl blieben die
Banker kritisch; sie trauten dem Laien Marten Sommer nicht viel zu, er war nun
mal kein echter Landwirt.
»Sehen Sie, Herr Sommer, Ihre
Ziele und Pläne sind ja schön und gut, aber wir müssen auf die Rückzahlung
achten. Wir verleihen Geld, wir verschenken es nicht …« Das musste er sich
anhören. Schließlich hatte er die höhere personelle Ebene verlangt. Dort gab es
jemanden, der ihm helfen musste; der war schließlich ein alter Bekannter. Sie
waren zusammen zur Schule gegangen. Viel hatten sie nicht miteinander zu tun
gehabt, Alex Aldenhoff war nie auf seiner Wellenlänge gewesen, aber
immerhin – gemeinsame Schuljahre verbanden doch. Alex sollte für ihn einen
Kredit locker machen.
Marten Sommers Erwartungen wurden enttäuscht.
Als er – mit ordentlich gebügeltem karierten Hemd und sauberer
Jeans – vor dem akkurat gescheitelten und in einen modernen Anzug
gekleideten Aldenhoff saß, war dieser in eine Zeitung vertieft gewesen. ›Nach
der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers kommt die Hamburger Sparkasse
Geldanlegern entgegen: »Wir haben entschieden, dass wir die Verjährungsfrist
für Ansprüche geschädigter Lehman-Kunden von drei auf fünf Jahre verlängern.«‹,
las Aldenhoff und dachte: Vorsicht, Jungs, versprecht nicht zu viel!
Andererseits, was scherte ihn die Hamburger Sparkasse. Er musste den Laden in
Ordnung halten. Oder, besser, wieder in Ordnung bringen, wollte er den
anvisierten und zum Greifen nahen Posten im höheren Management der Bank
bekommen. Oldenburg oder Bremen winkten, dort würde er sich gern niederlassen.
Nach einer kurzen Begrüßung
erläuterte er Marten Sommer die Gegebenheiten: »Marten, meine Leute haben das
mal durchgerechnet. Es sieht ziemlich schlecht aus, um das gleich
vorwegzusagen. Es ist ja nicht so, dass wir dir nicht schon Kredite bewilligt
hätten. Wir waren bislang sehr großzügig, finde ich. Irgendwann wird uns jedoch
das Risiko zu groß, das musst du verstehen.« Alex Aldenhoff lehnte sich bequem
zurück und sah sein Gegenüber an.
»Ja, klar«, stimmte Marten zu,
»aber ich brauche das Geld. Ohne Geld kann ich meine Pläne nicht umsetzen,
keine Investitionen angehen. Ohne Investitionen ist der Hof nicht professionell
zu betreiben.«
»Also, ehrlich gesagt, lieber
Marten, unsere Experten haben Zweifel. Du bist kein gelernter Landwirt, hast
viele Jahre ganz andere Dinge gemacht. Deine Bindung an Boden, Wind und Wetter,
zu Pflanzen und Tieren, also … Kurz gesagt, so ein richtiger Bauer bist du doch
gar nicht …«
»Was nicht ist, kann ja noch
werden. Außerdem kenne ich, wie du sagst, echte Bauern, denen die Banken den
Hahn abgedreht haben, ohne zu zögern, eiskalt!«
»Ach, eiskalt«, Aldenhoff zögerte,
»das ist so eine Sache. Wer erfolgreich schon ein, zwei Projekte durchgezogen
hat und seine Kredite bezahlen konnte, dem gibt man weitere. Du musst den
Nachweis erst erbringen, und bei dir steht auf der Habenseite kaum etwas,
während auf der Sollseite ein bedrohlich größer werdender Batzen Geld zu
verzeichnen ist, den du – du allein – wirst zurückzahlen müssen. Ein
Stück weit haben wir Verantwortung für unsere Kunden, Marten, das musst du
verstehen. Wir möchten dich warnen – vor der Pleite deines Hofes und der
Privatinsolvenz.«
Verantwortung für unsere Kunden,
dies ganze Gelaber, sinnierte Marten, und wieso sagte Aldenhoff überhaupt
›lieber Marten‹?
»Verdammt, was soll ich denn tun?
Ich habe meinen alten Job aufgegeben, weil er mir zum Halse raushing. Ich
konnte die Schwelle zum Büro nicht mehr übertreten, ansonsten bekam ich
Schweißausbrüche und Kopfschmerzen. Echtes Burn-out-Syndrom! Mag ja alles
psychosomatisch sein, liest man überall, aber ob nun physisch oder psychisch
oder beides … Es ging einfach nicht mehr! Hatte außerdem jahrelang meinen
Lebenstraum im Kopf und wollte ihn endlich verwirklichen, bevor es zu spät war
…« Er wusste nicht weiter.
»Und der kostet viel Geld. Geld,
das du nicht hast«, vollendete Aldenhoff den Satz, jedoch kaum in Sommers
Sinne.
»Ich habe es jetzt nicht, aber
später, ich arbeite wirklich hart …«
»Daran zweifelt niemand.«
»Siehst du, es wird schon
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