Friesenwut - Kriminalroman
… Was für Aussichten!
»Sieh zu, dass du rauskommst,
faule Socke«, sie verzog das Gesicht.
»Jawohl, Chefin«, echote es
zurück, die Tür fiel ins Schloss und Tanja Itzenga hörte die sich entfernenden
Schritte im Flur des sich zusehends leerenden Polizeigebäudes. Schon bald würde
nur noch die Notbesetzung anwesend sein. Nachtschicht.
19
Tanja Itzenga machte
sich am nächsten Tag auf den Weg zu Marten Sommer. Der war von ihrem Auftauchen
nicht begeistert, doch was blieb ihm übrig, als so geduldig wie möglich die
Fragen der Hauptkommissarin zu beantworten.
»Ein Motiv, Herr Sommer, ist das
schon«, Itzenga und Sommer saßen in dessen Küche und die Polizistin sah ihrem
Gegenüber fest in die Augen, »wir haben schon Geschichten erlebt, da sind Leute
aus ganz anderen Gründen umgebracht worden!« Tanja Itzenga setzte dem Biobauern
die Pistole auf die Brust. Sie hatte ihm den Mordverdacht an Alex Aldenhoff
schnell, unvermittelt und ebenso deutlich vorgetragen. Manchmal war diese
Taktik gut, manchmal nicht. Sommer machte einen zunehmend fassungsloseren
Eindruck.
»Frau Hauptkommissarin, das kann
nicht Ihr Ernst sein … Ich soll mitten in der Nacht … Ich wusste doch gar
nichts von dem Unfall!«
»Hier hört man, wenn sich nachts
etwas abspielt, erzählen Sie mir nix. Und dann schaut man nach, normalerweise.
Hilfe könnte notwendig sein, nicht wahr, Herr Sommer? Und wenn man dann sieht,
wer Opfer des Unfalls ist, und dass er schon so gut wie tot …?«
Sommer lief rot an, er wankte
zwischen Betroffenheit, Wut und plötzlich aufkeimender, fester
Entschlossenheit, die Hauptkommissarin zu widerlegen.
»Das ist eine Behauptung, die wird
Ihnen noch leidtun!«
»Es ist eine naheliegende
Vermutung.«
»Sie denken sich irgendetwas aus
und verdächtigen einen völlig Unschuldigen!«
»Man ist schuldig oder unschuldig,
›völlig unschuldig‹ gibt’s nicht«, berichtigte Tanja Itzenga gezielt hochnäsig
und setzte dann wieder an: »Herr Sommer – Sie standen vor dem finanziellen
Aus!«
»Ich stand nicht, ich stehe …« Aus
Sommers Augen schwand für einen Augenblick die Wut. Sie wich für kurze Zeit
Enttäuschung und Resignation.
»Sehen Sie – und Herr
Aldenhoff war Ihr Finanzberater!«
»Wir kennen uns seit der Schule.«
»Was macht das? Er wollte Ihnen
keinen Kredit mehr geben!«
»Himmel, wir hängen doch fast alle
an den Krediten der Banken. Wie am Angelhaken. Und wehe, man kann nicht mehr
zahlen. Dann wird die Rute hochgezogen, man zappelt noch ein wenig und
schwupp! – ist der Besitz weg. Gepfändet, zwangsversteigert. Keine Sau
fragt nach dem Warum und Wieso. Und da hören Freundschaften ganz plötzlich auf,
jedenfalls bestimmte.«
»Eben, Herr Sommer, eben!« Tanja
Itzenga sah ihr Gegenüber scharf an.
»Nein, so meine ich das doch nicht
…«, sagte Sommer und sah dabei aus dem Fenster in die Marsch, völlig
ausdruckslos. Die Frau machte ihn verrückt, drehte seine Worte im Mund um.
»Wie meinen Sie es dann?«
Marten musste erst einmal wieder
zu sich kommen. Dann erklärte er: »Sie wären ebenso wenig begeistert, wenn Ihr
Lebenstraum kaputtgeht, nur weil Ihnen ein Bankkredit verwehrt wird. Obwohl
vorher gesagt wurde: Ja, Herr Sommer, das machen wir, Herr Sommer, gern, Herr
Sommer. Tolle Idee, Herr Sommer, es gibt immer mehr Leute, die Biogemüse wollen
… Die Hände haben wir darauf geschüttelt! Schon nächstes Jahr hätte mein Hof
erste Gewinne abgeworfen, da bin ich ganz sicher. Es lief super!«
»Die Banken müssen auch rechnen,
gerade in Zeiten wie diesen.«
»Nun verteidigen Sie gerade die
noch? Da kann ich nur lachen. Wie kommen denn die zu ihren gewaltigen
Hochhäusern? Warum können die Managergehälter zahlen, die jeder Vernunft
spotten? Wieso? Bestimmt nicht, weil sie am Hungertuch nagen, Finanzkrise hin
oder her«, Marten schaute wieder ins Leere. Er machte einen nervösen Eindruck.
»Immerhin haben schon einige
namhafte Bankhäuser Pleite gemacht. Von dicken Gewinnen ist nichts mehr zu
sehen.«
»Pustekuchen. Wir hören und lesen
nur von der einen, der ungünstigen Seite. Dass nach wie vor gute Geschäfte
gemacht werden, liest man nirgendwo. Glauben Sie etwa, dass an dem ganzen
Schlamassel nicht auch allerhand Leute verdienen? Wir sind nur alle viel zu
blöd, das zu begreifen! Kaufen die Zeitung und denken – nee, wie schlimm,
aber die Regierung wird’s schon richten.«
Tanja Itzenga war nicht zufrieden
mit dem Gesprächsverlauf, sie drifteten
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