Friesenwut - Kriminalroman
an und ergänzte: »Sie haben sicher
Wichtigeres zu tun, zum Beispiel unschuldige Mitbürger verdächtigen.«
»Immer sachlich bleiben, Herr
Manninga. Ich mache nur meinen Job. Also: Von Sommers Hof zur Unfallstelle ist
es nicht weit. Und Ostfriesland ist recht platt, also landschaftlich, meine
ich. Man sieht hier weit.«
»Nein, verdammt, ich bin einfach
nach Hause gefahren, war betrunken, ein wenig angetrunken, sagen wir mal, aber
ich habe niemanden angefahren, verletzt oder …«
»Ermordet?«
»Was sagen Sie denn da?« Manningas
Gesichtsausdruck wechselte zwischen Anspannung und Entsetzen.
»Affekthandlung? So etwas gibt es,
Herr Manninga! Da liegt er, der Neue meiner Geliebten, ist schon fast …«
»So ein Unsinn. Sie verdächtigen
mich also ernsthaft? Herr Ulferts, das taugt eventuell fürs Theater …«
»Wir verdächtigen alles und jeden,
das ist unser Metier. Außerdem liegen Theater und das echte Leben manchmal gar
nicht so weit auseinander.«
»Beweise haben Sie allerdings
keine.«
»Anhaltspunkte.«
»Das ist hanebüchen!«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen.«
»Hören Sie – dieser Blödsinn
darf nicht an die Öffentlichkeit. Ich bin Lehrer. Ich will nicht …«
»Keine Angst, Herr Manninga.
Solange wir keine Beweise haben, recherchieren wir ganz ohne Öffentlichkeit.
Ich halte mal fest: Sie haben kein Alibi. Aber Sie haben ein Motiv!«
»Ich sage nichts mehr.«
»Nicht ohne Ihren Anwalt, ich
weiß.« Ulferts lehnte sich gelassen zurück.
»Würden Sie jetzt bitte gehen? Ich
muss noch Klassenarbeiten korrigieren. Habe den Schülern versprochen, sie vor
den Ferien zurückzugeben, und die beginnen bald.«
»Waren die vorherigen nicht gerade
erst zu Ende? Na, was soll’s. Aber wir kommen wieder!«
»Das habe ich befürchtet.«
»Das war nicht sehr höflich, Herr
Manninga.«
»Werden Sie mal des Mordes
verdächtigt.«
»Ein Geständnis, Herr Manninga …«
Doch Manninga baute sich direkt
vor Ulferts auf: »Bitte verlassen Sie auf der Stelle meine Wohnung!«
»Wie Sie meinen. Auf Wiedersehen.«
»Lieber nicht.« Manninga knallte
die Tür, blieb rücklings daran stehen und atmete schnell. Dann rannte er ins
Wohnzimmer und versuchte, sich eine Tasse Tee einzuschenken. Seine Hand
zitterte und es bildete sich eine bräunliche Pfütze in der Untertasse. Als er
die Tasse ansetzen wollte, schwappte ein wenig Tee auf die Tischdecke und
bildete einen feuchten Fleck. Teeflecken lassen sich nur schwer auswaschen,
dachte er, und stürzte den Rest, der sich noch in der Tasse befand, hinunter.
21
Marten
Sommer streute den Tieren lustlos gut riechendes Heu vor die Mäuler und
wunderte sich, dass er einige Zeit nichts von der Polizei gehört hatte.
Immerhin bedrängte man ihn mit schwerwiegenden Vorwürfen und Verdächtigungen.
Und nun war seit zwei Tagen nichts Nennenswertes passiert. Er würde ganz normal
seiner Arbeit nachgehen. Die Zukunft sah zwar düster aus, weil er sich langsam
aber sicher an den Gedanken gewöhnen musste, aufgrund der Verweigerung der
Kredite in nicht allzu ferner Zukunft seinen Hof aufgeben zu müssen. Fehlende
Liquidität, so hörte man in diesen Zeiten immer wieder. Doch er war fest
entschlossen, bis zum bitteren Ende alles zu tun, was in seiner Macht stand, um
den Hof ordentlich weiterzuführen. Vielleicht gab es ja wieder Möglichkeiten,
an einen Kredit zu gelangen, gerade nach den Ereignissen der vergangenen Tage …
Er erinnerte sich an die letzte Zusammenkunft mit Alex Aldenhoff. Die beiden
waren mächtig in Fahrt gekommen. Aldenhoff hatte ihn schließlich aus der Bank
gewiesen. Quer durch den Besucherraum hatte Sommer gebrüllt: »Riesenarschloch!
Hundsgemeiner Kapitalist.« Später wurde ihm bewusst, wie lächerlich das war.
Aldenhoff hatte indes gequält lächelnd in der Tür seines Büros gestanden,
während ein herbeigerufener Security-Mann Marten hinauskomplimentierte.
Nach
diesem Vorfall war jedes weitere Gespräch unmöglich geworden. Noch einmal würde
er diese Bank nicht betreten. Er überlegte, wie er sein Geld, die Kredite, all
das Finanzielle mit einer anderen Bank regeln konnte. Doch erst jetzt las er
die Verträge gründlich durch, verstand beileibe nicht alles, was darin stand,
spürte jedoch, dass es schwer sein würde, wenn nicht gar unmöglich. Sein
Projekt Ökohof war gescheitert. Er war womöglich doch nicht der Richtige für so
eine Sache … Manchmal war er fast so weit, sich das einzugestehen, dann
wiederum drang
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