Friesenwut - Kriminalroman
diese Wut bei ihm durch. Es wurde ihm erneut klar, dass seine
Existenz allein vom Wohlwollen der Bank abhing.
In diesem Moment sprach ihn jemand
an. »Moin, Marten!«
Marten erschrak. Er drehte sich um
und blickte Rehna Reemts in die Augen. Die fackelte nicht lange: »War die
Polizei bei dir?«
»Wo kommst du denn her?«
»Durch das Gartentor, ganz normal.
Ich muss mit dir reden. Also, war sie da?«
»Polizei? Klar war die hier.«
»Tatsächlich?«
»Wundert dich das?«
»Was wollten sie?«
»Mann, es hat in der Nähe zwei
Unfälle gegeben, deshalb befragen sie alle, die hier wohnen.«
»Nur wegen der Unfälle?«
»Weswegen sonst?« Marten kniff die
Augen zusammen.
»Bei uns haben sie angedeutet,
dass jemand nach dem Unfall bei dem schwer verletzten Alex Aldenhoff war, und
…«
»Möchtest du einen Tee?« Sommers
Frage kam nicht nur unvermittelt, sondern war gleichermaßen unpassend.
»Danke, nein. Habe schon Tee
gehabt heute. Also, Aldenhoff …«
»Ich weiß, was du sagen willst.
Die Kommissarin hat ihre Vermutungen mir gegenüber geäußert. Die spinnen doch.«
»Findest du? Ich meine, sie wollen
darauf hinaus, dass es bei uns Leute gibt, die Grund hätten …«, wieder konnte
Rehna nicht zu Ende sprechen.
»Es mordet doch niemand einfach
so? Schon gar nicht nachts, nach einem Unfall! Das wäre purer Zufall, dass man
gerade vor Ort wäre«, Marten Sommer hatte sichtlich keine Lust, sich über
dieses Thema zu unterhalten. Er wusste nicht, worauf Rehna Reemts hinauswollte.
Er hatte auf dem Hof zu tun und wollte kein Schwätzchen im Garten halten. Er
kannte Rehna seit vielen Jahren und wusste, sie würde nicht so schnell
aufgeben.
»Oder gerade dann«, meinte sie,
»Kurzschlusshandlung …«, sie blickte ihn nicht an, sondern sah zu Boden und
fuhr fort: »Es ist überall bekannt, dass Aldenhoff und du, dass ihr euch heftig
gestritten habt. Der Auftritt in der Bank neulich – das spricht sich rum.
Er hatte dich in der Hand.« Rehna versuchte, mit sicherer und überzeugter
Stimme zu sprechen. Es fiel ihr schwer.
»Ja, Himmel, mein Busenfreund ist
er wahrlich nicht gewesen. Immerhin bin ich früher mit ihm in eine Klasse
gegangen. Und dann lässt er mich so hängen, der Arsch. Ist ja dein Schwiegersohn.
Herzlichen Glückwunsch, tolle Partie für Freya! Doch das hat sich ja nun
erledigt. Was willst du eigentlich, Rehna? Ein Pläuschchen über unwahre
Verdächtigungen der Auricher Polizei mit mir halten, oder gibt es einen Grund,
warum du nach langer Zeit bei mir mal wieder aufkreuzt?«
»Hast du wirklich nichts von dem
Unfall mitbekommen?«
»Meinst du, ich hätte
damit etwas zu tun?« Marten sah sie diesmal nicht an, riss ein paar verblühte
Knospen einer Stockrose ab und warf die Blüten achtlos in die Hecke. Ein Hauch
Lavendelduft stieg ihm in die Nase. Vor Jahren war er am Gardasee gewesen, nahe
bei Torri del Benaco, einem schönen kleinen Ort am Ostufer. Reiner Zufall, dass
er damals dort gelandet war, aber ein Volltreffer. Er hatte eine nette
Ferienwohnung mit kleinem Balkon, ganz dicht an einem Olivenhain, gemietet. Es
war Sommer gewesen und der Lavendel, der rund um das Haus wuchs, verbreitete
mediterranen Duft. Der Olivenhain lag zwischen mehreren Grundstücken und es war
nicht auszumachen, ob er nun zu einem dieser Anwesen gehörte oder nicht. Marten
nutzte ihn einfach mit, setzte sich mal hier-, mal dorthin, legte sich in die
Sonne, las ein gutes Buch. Oder er schaute schlicht auf den großen, schönen
See, wo Fähren und Dampfer hin- und herfuhren und Segelboote geschickt zwischen
diesen hindurchsteuerten. Da er segeln konnte, lieh er zwei Tage ein Segelboot
und versuchte zu ergründen, was ›Mast- und Schotbruch‹ auf italienisch hieß. Es
gelang ihm nicht. Wahrscheinlich gab es den Spruch in dieser Sprache gar nicht.
Schade, er mochte sie und hätte sie gern besser verstanden. Jetzt würde er mit
seinem Hof Schiffbruch erleiden, dachte er. Dann hätte er Zeit, Italienisch zu
lernen. Oder dorthin abhauen! Irgendwo würden sie schon jemanden in der Wein-
oder Olivenernte brauchen. Kurz vor seiner Rückreise aus Italien buddelte er
einige Lavendelpflanzen aus, sodass es keiner merkte. Er nahm die Pflänzchen
mit nach Ostfriesland, quasi ein bisschen südländisches Flair für die
ostfriesische Marsch. Er wuchs erstaunlich gut, blühte wunderschön und bildete
ein El Dorado für allerlei Insekten, die offenbar eine Alternative zu den
Rapsfeldern darin sahen. Nun wuchsen die Nachkommen
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