Friesenwut - Kriminalroman
gesehen,
wenn die Beziehung auseinandergegangen wäre?«, fragte Itzenga.
»Ja!«, kam es voll und ganz
entschlossen von Menno Reemts zurück.
»Menno, stell dir nur vor, Freya
liegt auf der Intensiv und Alex Aldenhoff ist tot, und du redest so über die
beiden…«
»Man muss den Tatsachen ins Auge
blicken.«
»Ihre Frau sagte, Sie seien in der
Unfallnacht spät abends – oder früh morgens, besser gesagt – im
Kuhstall gewesen?«
»Sicher, unsere beste Milchkuh,
Muffi, war trächtig. Sie war sehr unruhig. Ich hatte etwas gehört. Da schaut
man mal nach, das macht jeder Bauer.«
»Die Muffi«, Itzenga musste
innerlich schmunzeln, »wie kommt man auf so einen Namen für eine Kuh?«
»Den habe ich mal auf einer
Versammlung von Landwirten aufgeschnappt. Ich fand ihn passend.«
»Und, hat sie gekalbt?«
»Nee. Zu dem Zeitpunkt noch
nicht.«
»Wieso waren Sie dann so lange
weg?«
»Woher wollen Sie wissen, wie
lange ich weg war?«
»Ihre Frau sagte, so um die 40
Minuten.«
Tanja Itzenga hatte den Eindruck,
als werfe Menno seiner Frau einen missbilligenden Blick zu. Rehna wich diesem
aus.
»Ich habe nach der Kuh geschaut,
dann noch nach den Kälbern, da vergeht die Zeit schnell.«
»Nichts gehört sonst?«
»Nein.«
»In einer stillen, nebligen
Nacht?«
»Ich weiß, worauf Sie
hinauswollen. Nein. Ich habe nichts gehört von dem Unfall. Muss wohl vorher
oder nachher passiert sein, da haben wir selig geschlafen.«
»Mitnichten. Es muss in etwa
dieselbe Zeit gewesen sein. Außerdem war Freya noch nicht zu Hause!«
»Frau Hauptkommissarin, Freya kann
kommen und gehen, wann sie will.«
Tanja Itzenga dachte für einen
Augenblick, das war wirklich ein naiver Hinweis gewesen – hatte Ulferts
ihr nicht gerade erst vorgehalten, ihr Mund sei manchmal schneller als ihre
Gedanken?
»Ja, natürlich«, sagte sie kurz,
wohl wissend, dass das Ehepaar Reemts auf eine Antwort wartete.
»Was soll das hier eigentlich?«,
fragte Reemts sie nun ruhig und bestimmt.
»Wir müssen alle befragen, die …«
»Die …«
»Die mit dem Fall zu tun haben!«
Tanja Itzenga merkte, dass sie den Faden verloren hatte. Diese ganze Verhörerei
ging ihr mit einem Mal ziemlich auf die Nerven. Sie brauchte dringend ein paar
freie Tage. So würde sie nichts Brauchbares erfahren. Aus einem ostfriesischen
Bauern bekam man offenbar nicht viel heraus, wenn er nicht wollte.
»Nun, Vernehmung
beendet? Wissen Sie, wir Landwirte haben noch anderes zu tun, als uns ausfragen
zu lassen. Und meine Tochter liegt schwer verletzt im Krankenhaus, da ist die
Genesung das Wichtigste. Die Ärzte sagen, es geht ihr besser, vielleicht wacht
sie bald aus dem Koma auf. Wir haben wirklich andere Sorgen als der ganze …
Kram, mit dem Sie uns behelligen. Ich muss das mal so deutlich sagen.«
Menno Reemts’ Frau nickte
zustimmend.
»Sicher«, sagte Itzenga, »fürs
Erste reicht mir das. Obwohl ich nicht glauben kann, dass Sie nichts mitbekommen
haben«, sie sah Reemts noch einmal fest in die Augen. Darauf meinte sie
schlicht: »Ich geh dann mal, danke für das Gespräch.«
Rehna und Menno schauten sich an.
Er zuckte mit den Schultern, reichte Tanja Itzenga die Hand. »Wiedersehen, Frau
Kommissarin«, worauf seine Frau korrigierte: »Hauptkommissarin.«
Er meinte nur: »Na und? Bin ich
vielleicht ein Hauptbauer?«, ging zur Tür, öffnete sie und warf sie dann hinter
sich zu.
»Er ist etwas unausgeglichen in
letzter Zeit«, versuchte Rehna die Situation zu entschuldigen, »das ist
schließlich kein Wunder, mir geht es genauso. Tag und Nacht denken wir an
unsere Tochter!«
»Das sind wir alle manchmal«, gab
die Hauptkommissarin zurück und hatte sogar ein wenig Verständnis für Menno
Reemts. Sie verabschiedete sich und fuhr los, unzufrieden. Mit sich und dem
Verhör. Sie spürte, dass Reemts ihr etwas verschwieg. Ihr und vielleicht sogar
seiner Frau.
23
»Herr Sommer, die
Stiefel sprechen eine eindeutige Sprache. Der Abdruck stammt von dem Paar, das
wir bei Ihnen auf dem Hof gefunden haben. Und Sie wollen uns erzählen, Sie
wären nicht am Unfallort gewesen? Was brauchen Sie denn noch an Beweisen? Die
Lage ist klar: zerstörter Lebenstraum, persönliche Wut …«
»Lebenstraum, Wut …«, wiederholte
Sommer stoisch.
»Was denn sonst? Es geschieht
etwas völlig Unvorhersehbares und der Mann, der Ihnen die größte Niederlage
Ihres Lebens eingebrockt hat, liegt plötzlich schwer verletzt vor Ihnen. Es
musste nur ein ganz kleines
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