Friesenwut - Kriminalroman
frischen Brötchen vom Kleinkummerfelder
Backshop fuhren sie nach Bad Segeberg. Das Taxi setzte die Freunde beim alles
überragenden Kreishaus ab, von wo man gut zu Fuß in die Innenstadt kam. Hier
gab es zwei attraktive Buchhandlungen, die Freunde kehrten in die erste, gleich
am Anfang der Fußgängerzone, ein, denn Derk und Onno wollten sich noch mit
Literatur eindecken. Die Buchhandlung war in einem schönen, älteren Stadthaus
untergebracht und sobald man eingetreten war, fühlte man sich wohl. Derk kaufte
einen Krimi, Onno den neuen Roman von Günter Grass ›Unterwegs von Deutschland
nach Deutschland‹.
»Uuh, schwere Literatur!«, meinte
Heiko.
»Muss man gelesen haben … Netter
Laden, da bist du sicher öfter mal, was, Derk?«, lobte Onno, an Derk gerichtet,
das Geschäft.
»Immer, wenn ich mal in Segeberg
bin. Ich könnte dort eine Menge Zeit verbringen«, antwortete Derk, »vielleicht
sollte man eine kleine Leseecke einrichten – wäre schön, um vorab ein
bisschen in den Büchern schnüskern zu können, bevor man sie kauft.«
»Deswegen tun sie es eben nicht.
Die Mitarbeiterinnen wollen doch nicht die ganze Zeit so ’nen Kerl dort
rumsitzen haben, du bist eben nicht Erol Sander …«, unkte Gerjet.
»Kannst ja mal vorschlagen, das
mit der Leseecke«, ging Onno etwas ernsthafter auf Derks Äußerung ein.
»Warum eigentlich nicht«, meinte
Derk und wollte das Thema bei seinem nächsten Besuch einmal anschneiden. Sie
kannten ihn dort schon, also konnte er doch mal eine Idee äußern. Eventuell
noch mit einer Kaffeemaschine daneben. Natürlich nicht ohne Bezahlung. Oder
brauchte man dafür eine Genehmigung? Schließlich war das hier Deutschland. Und
was würden die örtlichen Gastronomen dazu sagen?
Von der Buchhandlung
aus waren sie weiter in Richtung Marktplatz gelaufen und setzten sich dort in
ein Café. Heikos Vorschlag, schon gegen Mittag das erste Pils zu trinken, war
einhellig abgelehnt worden. Einige Tassen Cappuccino waren erst einmal
angesagt.
Schließlich waren die
sechs Männer den Kalkberg hochgewandert, wo schon eine Menge Karl-May-Fans in
das einzigartige Freilichttheater drängten. Sie hatten einen guten Platz, etwa
in der Mitte, gerade oberhalb des Sandweges, der durch das Halbrund führte und
die Tribüne teilte. Hier würden Winnetou, Old Firehand, die Guten und die Bösen
ein ums andere Mal entlangreiten, zur Begeisterung der Kinder und zur
Erinnerung der Erwachsenen: Wie lang war das her, als man den letzten Karl May
gelesen hatte? Derk dachte daran, dass er immer noch einmal ›Halbblut‹ lesen
wollte. Das würde in der nächsten Saison gespielt. Er würde in der Buchhandlung
danach fragen, die hatten sicherlich Karl May.
Mit Beginn der Handlung prosteten
sich die sechs Männer zu. Heiko hatte ganz stiekum sechs Dosen Holsten gekauft,
wortlos verteilt und diesmal war kein Widerspruch gekommen, wenn man von einem
leichten Protest – ›Holsten? Muss das sein?‹ – mit der
unvermeidlichen Antwort ›Holsten knallt am dollsten‹ absah.
Dann kam der Moment,
wo es nicht nur den Kleinen kalt den Rücken herunterlief. Die Filmmusik von
Martin Böttcher, oft kritisiert, gleichwohl mit den Karl May Filmen
unzertrennlich verwoben, ertönte und kündigte an, was gleich geschehen würde.
Und dann stand er da. Der Häuptling der Mescalero –, später aller Apachen, in
der typischen Montur, gut sichtbar und hervorragend inszeniert. Ein Raunen ging
durch die Menge, alles applaudierte. Da saß er auf Iltschi, jetzt würde alles
gut werden, am Ende zumindest. Winnetou – alias Erol Sander – saß auf
seinem Pferd und grüßte indianisch in die Menge. Dann setzte er das Tier
langsam in Bewegung, und unten in der Manege traf er auf seinen Freund Old
Firehand – erneut ein ergreifender Moment, in dem noch keiner ahnte, dass
beide wenig später um die an Schönheit nicht zu überbietende Tochter des
Häuptlings der Assiniboins, Ribanna, werben würden.
»Was tue ich hier?«, fragte Heiko
leise Derk, der neben ihm saß, »sehe ich mir tatsächlich Erol Sander live an?«
»Das ist nicht Erol Sander, das
ist der Häuptling der Apachen«, raunte Derk zurück.
»Ach so. Dann geht’s ja«,
schweigend folgte Heiko wieder der Handlung. Es gab gerade erste Hinweise, dass
Old Firehand Ribanna offenbar nicht unattraktiv fand. Winnetou war indes zu
wichtigen Geschäften aufgebrochen.
Während
die Vorstellung lief, taten sich vor dem Kalkberg-Theater ganz andere
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