Friesenwut - Kriminalroman
plötzlich auf
und wollte den Doc sprechen. Der gab ihm den Namen durch. Da erzählte der aus
Aurich plötzlich was von einem Verdächtigen in einem Mordfall, überall gesucht,
was weiß ich …Das soll der sein, den ihr aus seiner misslichen Situation
befreit habt …«
»Der? Der ist doch friedlich wie
ein Fisch!«, meinte Wilko.
»Hat aber wohl einiges
ausgefressen, sagte jedenfalls der Kollege aus Aurich. Der hatte allerdings
nicht den vollen Durchblick. Und ich schon gar nicht. Was soll’s. Ich will so
jemanden nicht auf der Insel haben. Dat brukt wi hier nich! Die schicken jetzt
zwei Polizisten, und dann wird er stracks wieder aufs Festland gebracht. Die
müssten schon unterwegs sein. Sogar eine Frau soll dabei sein. Eine
Hauptkommissarin …«
»Bestimmt Charlotte Lindholm vom
LKA Hannover!«, scherzte Hauke.
»Nee, ich sage doch: echte
Kommissarin. Sie kommen mit der Frisia IX. Die fährt gleich wieder mit
derselben Tide nach Deutschland zurück.« Es war nicht ungewöhnlich, dass die
Insulaner das Festland als ›Deutschland‹ bezeichneten, ob sie ihre Insel nun
dazuzählten oder nicht, war dem Urlauber dabei nicht immer klar.
»Wer hier so alles rumschippert!«,
sagte Hauke, wohl nur, um das entstandene Schweigen zu brechen.
»Kann ich nicht glauben«, ergänzte
Focko.
»Vielleicht war er auf der Flucht
und hatte keine Ahnung vom Segeln – würde ja passen!«, mutmaßte Wilko,
»Segeln will gelernt sein! Im Wattenmeer sowieso.«
»Keine Ahnung«, rief der Polizist,
»ich fahr’ zum Doc. Besser, ihr kommt mit, zur
Sicherheit, falls er renitent wird. Habe Handschellen dabei. Nicht weitersagen:
Ich musste die Dinger erst mal suchen. Rost angesetzt haben sie zum Glück noch nicht«,
grinste der Inselpolizist. Dann fuhr er fort: »Ich will keinen Ärger. Das ist
die Oase der Ruhe hier, wir brauchen keine Verbrecher. Das passt nicht zu
Juist.« Der Gendarm wendete sein Fahrrad.
»Jo, wir kommen sofort nach!«,
riefen die beiden und Hauke schloss die kleine Holztür, die in die Kajüte
führte. Er würde zur Unterstützung mitkommen. Mit drei, vier Mann sollten sie
den Typen aus dem Unglücksboot ja wohl so lange unter Kontrolle halten können,
bis die Auricher Polente eingetroffen war.
Kurze Zeit später legte die Frisia IX in Norddeich
ab. An Bord Tanja Itzenga und Ulfert Ulferts. Zwar war Marten Sommer wegen der
eindeutigen Hinweise auf eine Schuld Rainer Manningas fürs Erste aus der
Schusslinie, doch die Beamten wollten sich Klarheit über seinen Zustand
verschaffen. Auch fehlte von Manninga ein Geständnis – vielleicht war die
Sache doch anders abgelaufen? Ohnehin fühlte Tanja Itzenga, dass es noch
Überraschungen geben könnte. Mit einer solchen Äußerung hielt sie sich jedoch
zurück. Zu oft hatte sie sich verhöhnende Worte anhören müssen, wenn sie Sätze
begann mit »Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl, dass …« Oder hatte Ulferts
mittlerweile Verständnis dafür?
Die Hauptkommissarin
war vom Kapitän des Fährschiffes persönlich begrüßt worden. ›Itzenga‹, hatte
sie sich vorgestellt.
›Ich weiß‹, hatte er
mit einem Schmunzeln im Gesicht geantwortet.
Dann wachte der Kapitän über das
elegante Ablegemanöver, bevor das Schiff mit halber Kraft durch die zunächst
noch von Leitdämmen begrenzte Fahrrinne fuhr.
»Haben Sie eine Fahrkarte
gelöst?«, fragte der graubärtige Kapitän.
»Noch nicht –
selbstverständlich werden wir das nachholen.« Tanja Itzenga war in dem Moment
nicht klar, ob der Kapitän dies tatsächlich von ihnen verlangte.
Ulfert Ulferts fügte
hinzu: »Ich hoffe, wir bekommen das über unsere Reisekostenrechnung zurück.«
»Das ist Ihr Bier. Mal im Ernst:
Ich nehme Sie auch so mit – die Reederei unterstützt den Kampf gegen das
Verbrechen natürlich voll und ganz!« Er lachte, als er das sagte, und schaute auf
das Wattenmeer, auf welches man von der Brücke des Schiffes eine herrliche
Aussicht hatte.
Nach knapp
anderthalbstündiger Fahrt begann der Kapitän unter mehrmaliger Betätigung der
Schiffssirene mit dem Anlegemanöver im Juister Hafen. Die Hotels und Pensionen
sollten auf diese Weise darauf aufmerksam gemacht werden, dass neue Gäste auf
die Insel kamen und das Teewasser aufgesetzt werden musste. Am Kai wurden
eifrig Pferdefuhrwerke be- und entladen. Die Auricher Beamten wurden als Erste
von Bord gelassen und machten sich sofort auf den Weg zur Arztpraxis. Hier sei
der Delinquent unter der Obhut von vier starken
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