Friesenwut - Kriminalroman
zu kämpfen. Die Luft im Büro des
Polizeipräsidiums schien unter Strom zu stehen. Ulferts, Eilsen und Itzenga
sahen den Landwirt aus der Krummhörn an, als wollten sie ihn anschreien: ›Nun
sag doch, was los war!‹
»Ich sah …« Reemts atmete aus,
dann wieder ein, schließlich: »Ich sah Hillrich …« Er atmete, pustete geradezu
aus, was bedeutete: ›Nun ist es raus!‹, und gleichzeitig die Luft mit
Schnapsgeruch füllte. Die drei Polizisten verstanden noch nicht.
»Hajen? Diesen Hillrich Hajen.
Ihren Nachbarn?«, Itzenga konnte sich keinen Reim darauf machen.
»Ja, Hillrich Hajen. So häufig ist
dieser Name ja nun nicht. Und Nachbarschaft kann bei uns durchaus zwei
Kilometer Entfernung bedeuten.«
»Na und? Hajen hatte
gehört, was los war, und ist zur Unfallstelle. Er hat auf dem Weg Klaas
Meyer …« Tanja Itzenga wurde rüde unterbrochen.
»Ich sag das nicht gern, Frau
Hauptkommissarin, ich kenne Hillrich schon lange. Und es hat was von Verrat. Wir
in der Marsch halten eigentlich zusammen wie Pech und Schwefel! Andererseits
kann ich nicht ertragen, dass Rainer Manninga im Knast sitzt, während der
Schuldige frei ist.«
»Was soll denn das heißen?«
»Ich habe gesehen, wie Hillrich
Hajen ein Paar Stiefel in den Kofferraum von Manningas Wagen warf. Kurz darauf
kam Manninga wieder und fuhr nach Hause. Die beiden haben garantiert nichts
voneinander mitbekommen. Mich hat ebenso keiner gesehen, es war dunkel, ein
wenig neblig, feuchte Luft, ich hatte mich in eine Mauerecke am Schuppen
gedrückt. Und dann …«
»Ja?«, bohrte Itzenga.
»Dann ist er auf sein Fahrrad
gestiegen und ziemlich schnell für sein Alter zur Straße zurückgefahren. Ich
bin hinterhergerannt und habe noch gesehen, dass er Richtung Manslagt gefahren
ist, nicht in Richtung seines Hofes.«
»Wieso das?«, rief Ulferts spontan
aus.
»Er …«, begann Reemts wieder, er
stockte jedoch von Neuem, »er hatte …«
»Bitte, Herr Reemts! Was hatte
er?« Eilsen wurde ungeduldig. Itzenga sah ihren Chef böse von der Seite an:
Langsam, den Zeugen reden lassen, ihn nicht drängen, jedenfalls nicht in dieser
Situation. Das musste Eilsen doch wissen!
»Er hatte eine Plastiktüte auf den
Gepäckträger geklemmt.«
»Na toll!« Eilsens verächtliche
Bemerkung war total unpassend an dieser Stelle.
»Die Tüte hat sicher eine wichtige
Bedeutung«, warf Itzenga schnell ein, um Reemts bei der Stange zu halten. Er
musste unbedingt weiterreden. Er wusste viel. Daher seine Verstocktheit in den
vergangenen Tagen, daher Rehnas Sorge um ihn. Daher fast schon die Vermutung,
er selbst habe …
»Das, was in der Tüte war … also,
das habe ich noch in Erinnerung. Die Tüte war ein wenig aufgerissen und ich war
ziemlich nahe an seinem Rad vorbeigekommen, nahe genug jedenfalls. So konnte
ich es trotz Dunkelheit sehen, die Außenfunzel brannte ja, wenn auch entfernt.
Ich habe erst nichts drauf gegeben, doch nun weiß ich ja …«
»Nun?«
»In der Tüte war eine Jacke.«
»Eine dicke Winterjacke, haben Sie
das erkannt? So eine, die man im Stall trägt, wenn es richtig kalt ist?« Tanja
Itzenga schaltete als Erste.
»Kann sein.«
»Wie ›kann sein‹? Ja oder nein?«
Wieder war es Eilsen, der so rüde dazwischenfuhr.
»Ja«, kam es kurz und knapp
zurück. Reemts setzte sich auf einen Stuhl. Ihm war klar, was das, was er
gerade gesagt hatte, bedeutete.
»Das is’n Ding!« Ulferts sah
wahrhaftig erstaunt aus.
»Hajen. Er hat die Jacke …«,
begann Itzenga und Ulferts vollendete: »Nachts mit dem Rad nach Manslagt
gebracht und in Manningas Mülltonne geworfen! Mann, wie banal!«
»Banal hin, banal her. Werden Sie
tätig!«, herrschte Eilsen, der nun endlich begriffen hatte, seine zwei
verdienten Mitarbeiter an.
Tanja Itzenga gingen die Verhöre
der letzten Tage durch den Kopf. ›Ich weiß es nicht!‹ hatte Manninga
verzweifelt gerufen, als sie ihn zum x-ten Mal gefragt hatten: ›Und wie,
bitteschön, kommt die Jacke in Ihre, ausgerechnet Ihre Mülltonne, Herr
Manninga? Dort hinten in Manslagt, weit entfernt vom Tatort?‹ Einen Tag später
wäre die Tonne abgeholt worden.
»Aber …«, setzte Tanja Itzenga
unsicher an. Sie hatte auf das falsche Pferd gesetzt.
»Hillrich Hajen. Er war also doch
am Unfallort. Das hätte ich ihm niemals zugetraut, in dem Alter, und überhaupt!
Wir müssen sofort zu ihm!«, warf Ulferts ein.
»Alles Weitere muss er schon
sagen. Nachdem ich …«, Reemts machte eine Pause, atmete schwer. Jetzt musste
alles
Weitere Kostenlose Bücher