Friesenwut - Kriminalroman
raus, alles! »Nachdem ich erfahren hatte, dass Aldenhoff, dieses Schwein,
Freya fast getötet hätte, danach fand ich, geschah es ihm recht, dass …«
»Dass jemand ihn tötete?« Itzenga
sah ihn ungläubig an.
»Ach …«, Reemts machte eine
abwehrende Handbewegung, widersprach aber nicht.
»Ich bin jetzt hier, Frau
Hauptkommissarin. Ich sehe ja ein, dass ich … einen Fehler gemacht habe. Doch
so geht’s nicht weiter. Früher oder später wäre er zu Ihnen gekommen, ich bin
mir sicher. Hillrich ist im Grunde nicht verkehrt. Ich habe ihn angerufen:
›Hillrich, du musst zur Polizei, du musst!‹ Er ist verzweifelt, in den letzten
Jahren hat er eine Menge Kummer gehabt. Das ist nicht gut für’s Herz, der
Kummer. Aber jetzt … jetzt hat er …«, Reemts stockte wieder, »einen … einen
großen Fehler gemacht. Rainer Manninga ist Mitte 30, hat gerade seine Stelle
angetreten, er ist ein guter Lehrer und ein netter Kerl. Der kann noch einiges
erreichen. Wenn er doch nur noch«, Reemts schien sich zu krümmen unter den
Worten, »wenn er doch nur noch …«
»… mit Freya zusammen wäre?«,
ergänzte Tanja Itzenga. Reemts sah ihr offen ins Gesicht, die Frau durchschaute
ihn: »Ist es verboten, einen Menschen als Schwiegersohn oder Lebensgefährten
seiner Tochter gegenüber einem anderen vorzuziehen?« Reemts sah die
Hauptkommissarin mit strengem Blick an. Itzenga wunderte sich über die trotz
Alkohols wohlformulierten Sätze von Menno Reemts. »Nein, das ist es natürlich
nicht«, sagte sie leise und ihr Hirn arbeitete parallel daran, die Sachverhalte
neu zu ordnen.
»Falls Hajen sich an dem
Verletzten vergangen hat, weshalb hat er das getan? Wieso war er verzweifelt?«
Polizeipräsident Eilsen erwachte aus einer gewissen Gedankenversunkenheit.
»Fragen Sie ihn
selbst. Ich glaube es zu ahnen, mehr nicht. Hillrich Hajen ist verschwiegen und
redet wenig. Hat immer abgewunken, wenn es um Probleme ging. Dazu müssen Sie
Hajen befragen, nicht mich. Ich habe alles gesagt, was ich weiß. Fertig!«,
schloss Reemts und setzte sich auf einen Stuhl. Offenbar war er mit seinen
Kräften am Ende. Leise fügte er noch hinzu: »Vielleicht gibt’s ja noch eine
andere Erklärung … und beide sind unschuldig. Womöglich sind Ihre ganzen
Verdächtigungen ein einziger Irrtum«, er sah wenig überzeugt aus, als er das
sagte, und machte den Eindruck, als wolle er sich nur noch schlafen legen und
an einem besseren Morgen wieder aufwachen.
»Sie hätten eher kommen müssen!«,
bemerkte Itzenga ärgerlich.
»Sie haben gut reden! Wenn Ihre
Tochter mit dem Tod ringen würde, wenn Sie wüssten, wer dafür verantwortlich
ist. Sie können gut reden.« Reemts sah sie verächtlich an, dann schaute er auf
die dampfende Tasse Kaffee, die Ulferts ihm brachte. Tanja Itzenga musste ihm
recht geben. Sie hatte keine Tochter. »Kaffee?«, nuschelte Reemts missmutig,
»egal, jetzt geht auch ein Kaffee.« Er nahm die Tasse und trank. Er verzog das
Gesicht. Kein Zucker.
»Was war dann, nachdem Sie gesehen
hatten, dass Hajen mit dem Rad abhaute?« Ulferts dachte daran, dass es wichtig
war, den weiteren Fortgang zu erfahren – was hatte Reemts unternommen, so
unvermittelt, wie er zum Zeugen geworden war.
»Ich wusste erst mal überhaupt
nicht, was ich denken oder tun sollte. Und dann – das sagte ich ja schon –
fand ich, dass … dass es eventuell so sein sollte. Ich hatte ein gewisses
Verständnis für Hajen.«
»Sind Sie denn zur Unfallstelle
gegangen?«, es war Eilsen, der sich nun aktiv beteiligte.
»Nein.«
»Bitte? Sie haben nichts weiter
unternommen?«
Reemts atmete wieder schwerer,
dann bestätigte er nochmals: »Nein.«
»Sie haben selbst gesagt:
Vielleicht war Hilfe nötig!«
»Ich wusste nun, was Sache war.«
»Das konnten Sie nicht –
schließlich hätte Aldenhoff noch leben können …«
»Ich war mir sicher, dass das
nicht der Fall war, nachdem ich Hillrich gesehen hatte.«
»Aldenhoff hätte einen Beifahrer
haben können.«
»Er fuhr meistens allein.«
»Meistens … eben nur meistens. Das
ist unterlassene Hilfeleistung, potenziell zumindest«, Eilsen schien sich
vergangener Tage zu erinnern, in denen er nicht nur mit der Leitung einer
großen Polizeibehörde und einer gigantischen Bürokratie zu tun hatte, sondern
noch selbst ermittelte.
Menno Reemts wurde bleich im
Gesicht, er sackte in sich zusammen. Schließlich überwand er sich:
»Ich weiß, das war nicht richtig.
Ich bin zum Hof zurück. Habe Rehna die
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