Friesenwut - Kriminalroman
»Pffft, Bankfilialleiter …«
Martha Hajen bot den Beamten
schweigend einen Platz an, sie setzten sich. Frau Hajen blieb etwas abseits
stehen und beobachtete die Szenerie mit müden Augen. Sie und ihr Mann wirkten
überhaupt nicht überrascht. Sie schienen Itzenga und Ulferts erwartet zu haben,
konnte man denken. Und sie schienen zu wissen, was nun geschehen würde. Die
Hauptkommissarin und ihr Kollege waren indes noch nicht so weit.
Tanja Itzenga begann: »Herr Hajen,
Sie haben wahrscheinlich schon gehört, dass Herr Aldenhoff nicht an den Folgen
des Unfalls gestorben ist. Das bedeutet, dass sich nach dem Unfall eine Person
am Unfallort aufgehalten haben muss, die vor dem Eintreffen der Rettungskräfte
schon wieder verschwunden war. Haben Sie eine Ahnung …«, an der Stelle wurde
sie jäh unterbrochen.
»Nehmen Sie mich doch einfach mit,
es ist in Ordnung so. Meine Frau und ich haben das besprochen. Es geht nicht
anders. Ich wäre irgendwann zu Ihnen gekommen. Ich kann nicht mehr. Es ist aus.
Ich weiß es.«
Diese Antwort kam völlig
unerwartet. Tanja Itzenga blickte zunächst den Landwirt, dann dessen Frau an.
Beide änderten ihre Mienen nicht. Dann schaute sie ratlos zu ihrem Kollegen
Ulferts. Der machte große Augen. Es lag für einige Sekunden absolute Stille im
Raum. Es war so still, dass Tanja Itzenga eine Gänsehaut auf ihren Schultern
und Oberarmen bekam. Wie konnte jemand einfach dasitzen und sagen: ›Nehmt mich
mit‹, und seelenruhig erklären, dass seine Frau Bescheid wisse. War das schon
das Geständnis? So schnell und einfach? Und wieso war er so ruhig dabei? Martha
Hajen stand immer noch abseits im Raum. Tanja Itzenga sah sie an. Der einzige
Unterschied war, dass die Frau des Landwirts jetzt Tränen in den Augen hatte.
»Das müssen Sie uns schon
erklären, Herr Hajen!«, brach Ulfert Ulferts die kaum auszuhaltende Stille.
»Hier? Oder bei
Ihnen?«, fragte Hajen zurück, so, als gäbe es nicht Normaleres auf der Welt,
als mal eben so zu fragen, ob man vor dem Abgang in den Knast ein Geständnis
ablegen sollte oder erst vor Ort.
»Ich hole das Aufnahmegerät!«,
sagte Ulferts und schon war er verschwunden, als behage auch ihm diese gute
Stube überhaupt nicht. Kurze Zeit später war er zurück, drückte die ›Rec‹-Taste
des Rekorders und sagte nur: »Bitte!« Tanja Itzenga hatte die ganze Zeit kein
Wort von sich gegeben. Sie war zum Fenster getreten und hatte auf die herrliche
Landschaft der Krummhörn gestarrt. Doch wie eine Landschaft wirkte, hing offenbar
sehr von der persönlichen Stimmung ab.
Martha Hajen
entschwand in die Küche und kam mit einer Flasche Korn zurück. Sie schenkte
ihrem Mann ein, der kippte den Corvit in einem Zug hinunter. Man verstand sich
wortlos.
Dann begann Hajen:
»Ich habe natürlich gehört, dass
dort ein Unfall geschehen war. Ich bin gleich hin. Ich sah den schrecklichen
Zustand des Autos und auch, dass da einer drin saß. Erst habe ich ihn gar nicht
erkannt, dann habe ich gesehen, dass es Aldenhoff war.« Hajen machte eine Pause.
»Und?«, fragte Ulferts.
»Ich kenne Aldenhoff schon lange.«
»Ja, aber …«, doch Ulferts kam
nicht weiter.
»Aldenhoff, um es kurz zu machen,
Herr Kommissar, Aldenhoff war ein riesengroßes Arschloch! Heute wissen wir das
alle. Aber das musste man erst erkennen. Für viele war er ein netter Kerl.
Kumpelhaft, freundlich, adrett.« Hajen sagte diesen Satz mit einer Überzeugung,
die verblüffend war. Das Wort ›adrett‹ passte so gar nicht in den Wortschatz
dieses Mannes, der dort saß.
»Warum sagen Sie das?«, wollte Tanja
Itzenga Genaueres erfahren.
»Ich habe eine Tochter, Frauke.
Sie ist mittlerweile 18 Jahre alt. Wir haben ewig keine Kinder bekommen und
dann, ganz spät, ist Frauke noch geboren worden. Und nu is se aal achtein
Joahr!«
»Was, bitte, hat das
mit Herrn Aldenhoff zu tun?«
Hillrich Hajen schwieg. Er schien
sich sammeln zu müssen. Dann sah er hoch, zu seiner Frau. Sie begann
geräuschlos zu weinen. Die Tränen rannen einfach die Wagen herunter, man hörte
nichts. Was würde jetzt kommen?
»Frauke …«, Hajen kämpfte, mit
sich und mit den Worten.
»Ja?« Ulferts drängte.
»Frauke und Aldenhoff haben sich
auf einer Party kennengelernt. Danz
up de Deel, so etwas; twee Johr is dat nu her.«
»Vor zwei Jahren, auf einer Party.
Ich erkenne keinen Zusammenhang!«
»Sachte, sachte, Herr Kommissar!
Die beiden haben auf der Party ordentlich getrunken.
Ich vermute, Aldenhoff hat meine
Tochter
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