Frisch geküsst, ist halb gewonnen
Gefühl, aus der Haut zu platzen.
Das liegt nur an dem Vorfall mit der Schlange, sagte sie sich auf dem Weg zum Stall. Das war zu aufregend gewesen. Ihre verzögerte Reaktion ergab durchaus Sinn. So etwas hatte sie schließlich noch nie zuvor gesehen. Nick hätte sterben können. Sie selber hätte sterben können. In ein paar Tagen würde es ihr wieder besser gehen.
Als sie in den Stall und zu Jacksons Box ging, war ihr sowohl heiß als auch kalt, als steckte ihr eine Erkältung in den Gliedern. Aber irgendwie auch anders. Unangenehm und Furcht einflößend und …
Sie blieb mitten im Stall stehen und starrte in Jacksons große, braune Augen. Verschiedene Möglichkeiten rasten durch ihren Kopf, eine schlimmer als die andere. Könnte sie? Hatte sie?
Sie hatte so eine Angst wegen Nicks Schlangenbiss gehabt. Die Fahrt zum Krankenhaus war ihr unendlich lang vorgekommen, und sie hatte nicht aufhören können zu weinen, egal, wie oft Nick ihr mit ruhiger Stimme versichert hatte, dass alles gut werden würde. Erst nachdem der Arzt geschworen hatte, dass Nick nicht mehr in Gefahr schwebte, hatte sie sich erlaubt zu hoffen.
Nick ist ein Freund, sagte sie sich. Natürlich machte sie sich Sorgen um ihn. Nur wusste sie, dass es mehr als das war. Viel mehr. Nick zu verlieren hätte sie auf eine Weise zerstört, die sie noch nie erlebt hatte. Der Grund, warum sie so verwirrt war, der Grund, warum sie nicht wusste, wie sie sich verhalten oder was sie sagen sollte, war, dass alles plötzlich anders war. Zumindest von ihrer Seite.
Liebe.
Irgendwann, als sie mal nicht aufgepasst hatte, hatte sie sich in ihn verliebt. Sie, die niemals jemanden geliebt hatte. Die sich niemals fest band. Sie hatte sich in einen Mann verliebt, der sich geschworen hatte, nie glücklich zu werden oder mit einem anderen Menschen eine Bindung einzugehen. So viel Glück konnte auch nur sie haben.
Nick beobachtete, wie Izzy das Tablett mit seinem Abendessen ins Zimmer trug. Sie brachte es zu ihm ans Bett und setzte es auf dem niedrigen Tischchen ab, das Aaron über seine Beine gestellt hatte.
„Danke“, sagte er, obwohl er mehr an ihr als an dem Essen interessiert war. „Ich hab dich den ganzen Tag noch nicht gesehen.“
„Ich hatte zu tun“, sagte sie, ohne ihn richtig anzuschauen. „Du weißt schon. Es sind so viele Dinge nachzuholen. Auch wenn es anders aussieht, du bist mehr als nur ein hübscher Anblick. Ich versuche, deine Abwesenheit aufzufangen.“
Sie klang normal, aber trotzdem schien irgendwas nicht in Ordnung zu sein, das merkte er. „Es sind doch erst drei Tage, da kann nicht viel angefallen sein.“
„Ich bleib gerne auf dem Laufenden“, murmelte sie. „Wie auch immer, hier ist dein Abendessen. Norma hat alle deine Lieblingsgerichte gemacht, wofür du ihr noch mal ausdrücklich danken solltest. Sie hat es nämlich mindestens drei Mal erwähnt. Und sie hat Aaron davon abhalten können, alle Biskuits zu essen. Was mich zu der Frage bringt: Wie kann ein Mensch so viel essen und trotzdem so dünn bleiben? Das nervt.“
Sie schenkte ihm ein angespanntes Lächeln, das eher schmerzlich als glücklich wirkte, und fing dann an, sich zurückzuziehen. „Ich lass dich dann mal in Ruhe essen.“
„Du könntest mir auch Gesellschaft leisten.“
Sie erstarrte und sah einen Moment aus wie ein Tier, das in eine Falle geraten war. Dann setzte sie wieder das falsche Lächeln auf. „Sicher. Wenn du willst. Das wäre schön. Wirklich nett.“ Sie zog den Sessel aus der Ecke näher ans Bett.
„Na dann“, sagte sie und setzte sich. „Guten Appetit. Du isst, ich rede. Darin bin ich gut.“ Sie schwieg einen Augenblick, offensichtlich auf der Suche nach einem Thema. „Ich, äh, habe die Broschüre vom Community College bekommen. Ich habe den Anfang des Herbstsemesters um drei Wochen verpasst. Was okay ist. So hab ich noch Zeit, mir mein Hauptfach zu überlegen. Auch wenn ich das nicht sofort angeben muss.“
Er schnitt ein Stück Roastbeef ab. „Ich dachte, du wolltest Psychologie studieren?“
„Das will ich auch, aber da gibt es so viele Wahlmöglichkeiten. Nicht am Community College, natürlich, aber du weißt schon, später.“
„Izzy, was ist los?“
„Nichts. Alles in Ordnung.“ Sie lächelte wieder, und dieses Mal gelang es ihr besser. „Du bekommst kistenweise Genesungskarten; du bist wohl doch beliebter, als ich gedacht hatte. Aaron bewahrt sie alle auf. Er wird sie dir später vorbeibringen. Ich bin sicher, dass die
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