Frisch gemacht!
zurück. Sehe es als Entlohnung für spontane Hilfsbereitschaft. Nach drei Stationen ein weiterer Kraftakt. Kinderwagen raus aus der Bahn – fast vors Auto gelaufen, und dann ist es geschafft. Wir sind im Zentrum der Shopaholics. Claudia schläft. Straßenbahnfahren scheint ihr zu liegen. Ein Indiz. Sie wird eine Globetrotterin – ein reiselustiges, neugieriges Wesen. Ja: Sie ist ein tolles Kind. Hätte ja auch brüllen können. Oder spucken. Meine Tochter ist ein Engel. Ein Paradebaby. Ich muss sofort Christoph anrufen und ihm Mitteilung machen. Was wäre ich ohne mein Handy.
»Anwaltskanzlei Schröder – Gebhard, guten Morgen – was kann ich für Sie tun?« – Oh, die Vorzimmertante. »Hallo Frau Trundel, Andrea Schnidt hier – dürfte ich bitte Christoph sprechen?« Ich kann eine wirklich höfliche Frau sein. Frau Trundel auch. Trotzdem lehnt sie ab. »Sitzung, Frau Schnidt, Sitzung, Sie kennen das ja.« Klar kenne ich das. Aber ich kann mich kaum erinnern. War ich je eine berufstätige Frau, die mit erwachsenen Menschen tagtäglichen Umgang hatte? Menschen, die nicht der Briefträger oder meine Schwiegermutter Inge sind? Oder der Eismann? Die Mutti-Mutation geht verdammt schnell. Eben noch jung und erfolgreich – jetzt jung, aber nicht so aussehend, und erfolgreich nur in Teilen. Aufzuchterfolg, wenn überhaupt. Ich bin seit vier Monaten zu Hause und trotzdem schon ganz weit weg vom Arbeiten. Anfangs ist das ja herrlich. Man ist so schwanger, dass man kaum mehr hinter den Computer passt, und sehnt den Mutterschutz herbei wie
sonst nichts im Leben. Jetzt ist der Mutterschutz rum, und ich weiß nicht so recht, ob dieses Leben das ist, was ich dauerhaft haben will. Ich an der Leggingsfront. Na ja – mal abwarten. »Ein Kind braucht seine Mutter«, meint meine Mutter, und Inge, meine Fast-Schwiegermutti, ist völlig ihrer Meinung. Die tun gerade so, als wollte ich auswandern und das Kind in ein rumänisches Kinderheim abschieben und nicht etwa halbtags ein wenig arbeiten.
Sitzung hin, Sitzung her. Ist Christoph der Vater meiner Tochter oder nicht? »Frau Trundel, ich kenne das mit den Sitzungen, aber ich muss ihn trotzdem sprechen«, teile ich der Vorzimmerfee in etwas strengerem Ton mit. »Gibt’s ein Problem?«, fragt sie sogar recht teilnahmsvoll. »Nee, und wenn, würde ich es gerne mit meinem Lebensgefährten besprechen«, antworte ich schon etwas ungehalten. »Bitte, wie Sie wünschen.« Sie ist beleidigt. Gott, was nehmen sich diese Frauen wichtig. Aber sie verbindet mich. Immerhin. »Ja bitte«, höre ich Christophs Stimme. »Ich bin’s, Andrea, stell dir vor, Claudia ist Straßenbahn gefahren«, erzähle ich glückselig. Eine Pause. Schweigen. Und dann: »Hat sie die Bahn gelenkt, saß sie am Steuer, oder warum holst du mich mitten aus einer wichtigen Sitzung. Mann, Andrea, das hier ist die monatliche Partnersitzung. Hast du ’nen Sockenschuss, oder was?«
Blöder Sack. Egozentrischer Volldepp. Ich lege auf. Das geht nun echt zu weit. Das habe ich nun wirklich nicht nötig. War das eben am Telefon derselbe Mann, der mir noch gestern Abend gesagt hat: »Ich will an jedem Entwicklungsschritt meiner Prinzessin teilhaben!« Noch so ’ne
Nummer, und der kann in die Kanzlei ziehen. Rund um die Uhr Sitzung halten. Wichtigtuer. Entscheidende Sitzung. Lächerlich. Lässt sein eigen Fleisch und Blut hängen für irgendwelche stoffeligen Partner in einer klitschigen Kanzlei. Na, dem werde ich heute Abend ordentlich paar einschenken.
Jetzt ist auch noch Claudia aufgewacht. Prima. Christoph, ich danke dir. Hat das arme Ding sicherlich gespürt, dass Papa desinteressiert ist. »Nicht aufregen«, säusele ich, »wir gehen jetzt fein einkaufen, schön lieb sein, Mami muss nur schnell einen Badeanzug kaufen. Du willst doch auch, dass Mami schick ist beim Schwimmen.« Claudia ist relativ unbeeindruckt. Sie weint. Ich schuckle den Kinderwagen wie eine mittlere Schiffschaukel. Nix wie rein ins erste Kaufhaus. Boutiquen kann ich momentan abhaken. Ich glaube kaum, dass die meine Größe führen, und habe wenig Lust, mich von einer zickigen Verkäuferin entsetzt mustern zu lassen. Bademoden 3 . Stock. Na toll. Rauf auf die Rolltreppe. Ist gar nicht so schwierig, wie ich gedacht habe. Obwohl ich innerhalb der Minuten, die ich auf der Rolltreppe bin, sofort Horrorvisionen von RTL -Notruf-tauglichen Unfällen habe. Ich stürze, meine Haare verhaken sich in den Stufen, und während ich langsam skalpiert
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