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Frisch gemacht!

Frisch gemacht!

Titel: Frisch gemacht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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wird’s reichen. Ist ja kein Bademodenmodell-Contest.
    Und auch nicht Größe 42 . Sondern 44 . Hing wohl falsch. Egal, das Schild kann man ja rausschneiden. Dann schnell den Verdrängungsmechanismus eingeschaltet, und nach ein paar Wochen weiß man selbst nicht mehr, was das Teil für ’ne Größe hat. 79  Euro. Für einen Badeanzug. Mich trifft fast der Schlag. Und jetzt auch noch das: Während ich mich noch streng vor dem Spiegel drehe, geht draußen das Geschrei los. Claudia. Ich springe aus der Kabine und stehe in meinem Lila Badeanzug Größe 44 vor einem älteren Herrn. »Gisela«, schreit der auch prompt zur Kabine gegenüber, »guck ema, die Frau hat deinen Badeanzug an. Genau den gleische.« Eine mindestens Siebzigjährige mit grausliger Dauerwelle streckt ihren Kopf aus einer Kabine und nickt freudig. Toll, wie das meinen Kaufentschluss stärkt. Na ja, war ja nicht bös gemeint von dem alten Knacker. Ich hieve Claudia aus dem Wagen, schenke
dem Mann ein breites Lächeln, weil ich hoffe, dass er mir dann nicht weiterhin so unverblümt ins Dekolleté starrt, und rette uns beide, Claudia und mich, in die Kabine. Mist, ich glaube sie hat Hunger. Natürlich bin ich perfekt ausgerüstet. Aber füttern? Jetzt und hier?
     
    Wieso hat das Kind eigentlich jetzt schon Hunger? Hat die nicht gerade zu Hause noch was gekriegt? »Dann lass sie schreien, wenn sie noch nicht dran ist. Du musst einen Rhythmus reinkriegen in dein Kind«, findet meine Mutter, aber die steht ja auch nicht mit dem schreienden Kind in der Umkleide eines großen Kaufhauses. Wer das Geschrei nicht hören muss, kann tolle Theorien verbreiten. Leicht gesagt – Füttern nach der Uhr. Vielleicht was für taube Eltern. Oder Menschen mit einer dreihundert-Quadratmeter-Wohnung. Hier jedenfalls ist das keine gute Idee. Ich fange schon an zu schwitzen. Und das im Badeanzug. Wurscht, ich werde ihn ja eh kaufen. Da kann ich ihn auch voll schwitzen. Ach Claudia. Mann, schreit die. »Hör doch mal auf, bitte Mausi, hör auf zu schreien.« Ich muss zugeben, ich fange an, mich zu genieren. Vor den Leuten. Solange die nicht aufhört, komme ich aus der Kabine auch nicht mehr raus. Aus dem Badeanzug allerdings auch nicht.
    Wie konnte ich bloß mit dem Kind in die Stadt fahren? So eine bekloppte Schnapsidee. Hätte ich doch Inges Angebot angenommen. Schwiegermutti wäre nur zu gerne bei Claudia geblieben. Und hätte im besten Fall noch Christophs Hemden gebügelt. Aber ich Oberidiotin musste der Welt ja beweisen, dass ich alles, aber auch alles, mit Kind erledigen kann.
     
    Claudia hört nicht auf. Sehr sensibel ist die Kleine nicht gerade. Ihr Schamfaktor hält sich auch in Grenzen. Erst mal sollte ich wieder in normale Klamotten steigen. Ich lege Claudia auf den Fußboden der Umkleide – raus zum Wagen traue ich mich nicht – und ziehe den Badeanzug wieder aus. Kaum stehe ich in Unterhose da, geht der Vorhang wieder auf. Hat die Umkleidendomina Nackigsensoren auf der Haut – weiß die immer genau, wann der mieseste Moment gekommen ist? »Ich habe doch gesagt, ich möchte in Ruhe probieren«, blaffe ich sie an. »Ruhe ist ja ein lustiges Wort für das hier«, grinst sie und sagt dann: »Ich wollte Ihnen doch nur mal das Kleine abnehmen, damit Sie es in der Kabine nicht noch zertreten.« Hey, das war ja fast komisch. Wäre es ein Scherz über jemand anderen gewesen, hätte ich eventuell sogar gelacht. Aber eins muss ich zugeben: Sie ist doch keine Hexe. Ich grinse zurück, versuche damit, meine Unfreundlichkeit wieder gutzumachen, und drücke ihr Claudia in die Hand. Fünf Minuten auf dem Arm dieser Frau kann ein durchschnittlich begabtes Kind bestimmt ab, ohne Schaden zu nehmen. Mangelnder Intellekt ist ja nichts Ansteckendes. Claudia guckt erstaunt, und es scheint, als wüsste Frau Umkleide wo der Abschalteknopf ist, denn: Mein Kind beruhigt sich. Ist innerhalb weniger Sekunden ein Vorzeigebaby. Ich gestehe, das finde ich fast fies von Claudia. Ich mühe mich ab – und da kommt diese Frau, und mein Kind ist schlagartig brav. »Ich gehe mit der Kleinen ein bisschen auf und ab«, teilt mir Frau Umkleide noch netterweise mit, und fort ist sie. Die wird mir doch nicht Claudia entführen?
     
    Wahrscheinlich ist sie hier überhaupt nicht angestellt, hat nur so getan als ob und mir aufgelauert. Eine Frustrierte, die dringend ein Kind braucht, scheinschwanger war und selbst vor kriminellen Handlungen nicht zurückschreckt. Man liest so was ja immer häufiger.

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