Frisch gemacht!
werde, plumpst Claudia aus dem Wagen und kullert die Stufen runter. Seit ich ein Kind habe, springen mir solche Schreckensszenarien viel schneller ins Hirn. Man sorgt sich doch ganz anders. Trotzdem schaffe ich es und beschließe, nachher, um runterzukommen, den Aufzug zu nehmen. Man muss sein Glück ja nicht provozieren. Außerdem verliere ich zurzeit dermaßen viele Haare, dass ich es mir nicht leisten
kann, noch welche in der Rolltreppe zu lassen. Wo ich eh nicht gerade gesegnet bin mit dem, was man Haar nennt. Wenn das mit dem Haarausfall weiter so geht, muss ich mir wie Naddel eine Perücke anschaffen. Vielleicht sogar ganz praktisch. Wer Perücke trägt, hat wenigstens eine berechenbare Frisur und nicht wie ich jeden Morgen eine neue Überraschung auf dem Kopf. Als ich das mal Christoph erzählt habe, hat der sich einen Witz draus gemacht und mich wochenlang morgens mit den Worten »Hier kommt ja mein lebendes Überraschungsei« begrüßt und mir den Kopf getätschelt. Juristen und Humor, kann ich dazu nur sagen.
Abteilung Bademoden. Gezielt steuere ich den Ständer mit den Einteilern an. Die haben richtig ordentlich Auswahl hier. Leider nur bis Größe 42 . Und ob ich da reinpasse? Warum eigentlich nicht. Wenn ich ein bisschen den Bauch einziehe, müsste das bei dem Stretchstoff vielleicht klappen. Ich schnappe mir 6 Teile und schiebe Claudia und mich Richtung Umkleide. Ich bin nun wahrlich keine begeisterte Anprobiererin, aber bevor ich nochmal losziehe, weil ich zu Hause merke, dass ich mich total verschätzt habe, beiße ich lieber in den sauren Apfel.
»Bitte nur drei Teile«, erklärt mir eine schnippische Person, die Wärterin der Umkleiden. »Auch gut«, sage ich und drücke ihr die anderen drei übrigen in die Hand. Leopardenmuster mit Goldbauchkettchen wäre vielleicht sowieso etwas gewagt. Auch der Quergestreifte kann weg. Und Rosa ist für jemanden wie mich doch bei näherer Betrachtung zu nah dran am ordinären Hausschwein.
Damit ich nicht vergesse, wie viele Badeanzüge ich mithabe,
gibt die Verkäuferin mir noch ein kleines Plastikschild mit einer malerischen 3 drauf. »Vielen Dank auch«, versuche ich die ironische Tour, aber die Umkleidenherrscherin ist längst damit beschäftigt, ihre Fingernägel zu begutachten.
Claudia stelle ich direkt vor meine Kabine. Der Gedanke, jemand könnte mein wirklich äußerst mühsam Erpresstes mitnehmen, gefällt mir gar nicht. Außerdem – ohne Kind brauche ich auch keinen Badeanzug. Das wäre dann doppelt ärgerlich. Die Kabine ist eng. Alle Kabinen sind eng. Außer in schnieken Boutiquen. Das Licht beschissen. Oder ist meine Haut echt so fahl? Eine weißhäutiges Streifentier guckt mir aus dem Spiegel entgegen. Meine Unterhose gehört auch nicht in die Kategorie Reizwäsche. Der Gummibund hat schon bessere Tage gesehen. Aber irgendwo hat selbst der tougheste Gummibund seine Grenzen. Während ich mich fast schon mitleidig im Spiegel mustere, reißt die Fingernagelgafferin den Vorhang weg. »Oje«, entfährt es ihr, und ich kann zwar verstehen, was sie meint, würde ihr aber trotzdem nur zu gerne ein paar scheuern. »Ich möchte bitte in Ruhe probieren«, herrsche ich sie an. »Man kann es den Kunden auch nie recht machen«, stapft sie trotzig von dannen. Zimtzicke. Kinderhasserin. »Der zahlst du keine Rente«, beschließe ich im Namen von Claudia und fühle mich gleich besser.
Modell eins ist eins dieser maritimen Teile. Schlicht dunkelblau mit weißem Rand. Eigentlich ganz nett. Bis auf den kleinen Hüftanker. Ohne Körbchen und anderen Schnickschnack. Der Anzug ist etwas knapp. Was dazu führt, dass meine Brüste platt gedrückt kurz über dem Bauchnabel
hängen. Wie zwei lappige Pfannkuchen. Nee – untragbar. Weg damit. Teil zwei ist das eher florale Modell. Bunte Sommerblumen. Nicht schlecht, aber die Träger schneiden dermaßen ein, dass ich wahrscheinlich noch Wochen nach dem Tragen ein Muster auf der Haut haben werde und nachher wirke, als hätte ich mir ein Branding verpassen lassen. Außerdem ist zartgelb auch für südamerikanische Trägerinnen mit bronzefarbenem Naturteint (ist die Welt nicht ungerecht!) geeigneter. Weg damit. Nummer drei passt perfekt. Na also, wer sagt es denn. Es ist ehrlich gesagt kein wirklich geschmackvolles Modell, aber alles kann man halt auch nicht haben. Der Badeanzug ist lila changierend, hat Körbchen mit Verstärkung und breite Träger. Gerader Beinausschnitt. Hässlich, definitiv, aber für den Kurs
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