Frisch gemacht!
Ausruhen? So wie es hier aussieht!‹
Bitte sehr, er will Streit – kann er haben. Ich lege mich vor die Glotze, auf das noch warme Krümelsofa, und schnappe mir Claudia. Sie schmiegt sich an mich, und ich habe
das Gefühl, wenigstens eine versteht mich. Immerhin. Frauensolidarität. Allerdings – leider etwas nasse Frauensolidarität. Hose ist voll. Windeln halten doch weniger, als sie versprechen. Dabei kaufe ich die teuersten Dinger überhaupt. Da kann man doch erwarten, dass die das bisschen Babypipi aushalten. Tun sie aber nicht. Also ist mal wieder Wickeln angesagt. Mittlerweile schaffe ich das immerhin in erträglichen Zeiten. Zu Beginn hätte ich Krieg und Frieden in der Langversion dabei gucken können.
Christoph hat tatsächlich eine Eingebung, nimmt mir Claudia ab und geht sie wickeln. Nicht ohne den an sich netten Gedanken noch mit einem bescheuerten Spruch zu kommentieren: »Ich mach’s, du musst dich ja endlich mal ausruhen.«
Ich wäre zum Waffenstillstand bereit gewesen – aber er scheint nicht zu wollen.
Der Rest des Abends ist Schweigen. Zumindest von Seiten der Erwachsenen. Claudia liefert die Hintergrundmusik. Schreit uns die Hucke voll. Prima, bei der Stimmung auch noch das Geschrei. Ich drehe den Fernseher etwas lauter. Ally Mc Beal lasse ich mir nicht mal von meiner Tochter versauen. Neidvoll sehe ich den dürren Anwaltsmiezen zu. Was für ein Leben, wenn die größten Probleme sind, was man morgens anzieht. Ally Mc Beal wiegt angeblich 46 Kilo. Ungefähr so viel wie mein linker Oberschenkel. Ich glaube, ich hasse sie. So, der habe ich es jetzt aber gegeben. Claudia passt ihre Lautstärke an den Raumpegel an. Eingebaute automatische Lautstärkeregelung.
Wahrscheinlich sind wir an dem Geplärr auch noch selbst schuld. Die Kleine merkt, dass atmosphärisch was nicht stimmt, und reagiert darauf. Das ist auch so was beim Kinderkriegen. Man muss sich daran gewöhnen, eigentlich immer schuld zu sein. Jetzt könnte ich grad mal ’ne Runde heulen. Wegen allem. Weil ich nicht so dürr wie Ally bin, nicht mehr einfach so auf der Couch liegen kann, überhaupt noch nie so dünn wie Ally war und als Mutter eine wenig glänzende Figur abgebe. Wo sind meine Glückshormone? Wo die große allumfassende Freude? Mutter werden und sein ist eine absolut verherrlichte Größe. Beschiss ist das alles. Von vorne bis hinten. Ich heule. Prima. Toller Tag. Und die nächsten Wochen lassen nichts anderes erwarten. Ich heule gleich noch mehr. Selbstmitleid hier bin ich, komm und umhülle mich.
Christoph streicht mir über den Kopf, wie bei einem dummen Hund und bietet mir an auszugehen: »Triff dich mit einer deiner Freundinnen, geh mal raus, ich pass auf Claudinchen auf, los Andrea, das wird schon.« Er hat nicht mal gefragt, was ist, weiß aber, dass es wieder wird. Hellseher oder was. Eine Spitzenidee: Ausgehen. Aber bis ich verheultes Etwas, rotäugig und verquollen, wieder in ausgehfähigem Zustand wäre, rein optisch gesehen, ist der Abend rum. Trotzdem: ein schöner Gedanke. Einfach weggehen. Ohne Mann und Kind. Ganz so wie früher. Ein paar nette Cocktails und ein bisschen ablästern. Keine Verantwortung, außer für mich selbst. »Ich mach’s morgen«, schniefe ich und fühle mich tatsächlich besser. Allein wegen der Idee.
»Gut«, sagt Christoph, »Abgemacht. Verabrede dich
und bügele deine Psyche auf. Das kann man so ja kaum aushalten.« Welch ein Kompliment. Mit einem winzigen Satz macht der Arsch alles wieder kaputt. Ich gehe ins Bett.
Am nächsten Morgen verabrede ich mich mit Sabine, meiner frisch verliebten Freundin. Die ist ganz wild vor lauter Hormonen. Es dauert etwas, bis ich sie überreden kann, ohne ihren Mischi mit auf die Piste zu gehen. Am Anfang einer Beziehung ist man ja dermaßen beflügelt, dass man kaum allein aufs Klo gehen will. Trotzdem: Sabine hat nicht vergessen, wem sie ihren neuen Lover verdankt (mir!!), und verspricht, mich Punkt acht abzuholen. Voller Glücksgefühl bin ich sogar in der Lage, die Wohnung aufzuräumen. Ein phantastischer Tag. Und mein Kind. Dermaßen niedlich. Wie konnte ich nur so hässliche Sachen denken? Von Kinderlosigkeit und Ungebundenheit träumen? Ich bin wirklich ein Luder. Aber: Ab jetzt wird alles anders. Ich werde mein neues Leben anpacken, organisieren und in den Griff bekommen. Ich, Andrea Schnidt, stelle mich den Herausforderungen und werde sie meistern. Jeder Motivationstrainer könnte sich heute eine Scheibe von mir
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