Frisch gemacht!
»war doch eine feine Idee, die Sache mit dem Schwimmkurs.« Wie so oft im Leben sind Dinge, auf die man keinerlei Lust hat, nachher richtige Highlights. Ich fühle mich prima und schaffe es sogar, mir den Anruf in Christophs Kanzlei zu verkneifen. Soll er doch anrufen, wenn er wissen will, wie seine Tochter schwimmt. Bay Watch, wir kommen! Auch ohne Christoph.
Nicht mal der Strafzettel ärgert mich.
Inge wohnt genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Dritter Stock, Altbau. Eine Riesenwohnung. Wohngemeinschaft. »Wir sind zu sechst«, klärt sie mich auf. »Sebastian, Samuel und ich, die Rita, die Klara und der Bernd. Die Rita und der Bernd waren mal zusammen, bevor der Bernd gemerkt hat, dass Sex an sich überbewertet ist, und die Rita nach zwei Jahren Enthaltsamkeit Schluss gemacht hat. Sebastian, also Samuels Papa, war auch mal mit Rita zusammen, aber das ist schon ewig her. Das lief von der kosmischen Seite her schlecht. Und die Aszendenten der beiden haben auch null gepasst, war klar, dass das schief gehen musste. Jeder von uns hat sein Zimmer und den Rest benutzen wir zusammen.« Hmhm. Die Rita muss ja ein flotter
Käfer sein. Bernd und Sebastian vernascht und wohnt weiter munter mit ihren Exen zusammen. Ich könnte das nicht. Ständig meine Exfreunde um mich rum. Sehen, was die so treiben. Nee. Und was bedeutet »den Rest benutzen wir zusammen«? Schließt das auch die Menschen ein? Treibt’s hier jeder munter mit jedem? Unappetitlich, aber spannend.
Wir setzen uns an den Küchentisch. »Alles Feng-Shuiausgerichtet, merkst du wie klasse hier die Energie fließt?«, belabert sie mich, während sie ihren Roibuschtee aufgießt. Inge ist das lebende Komplett-Esoterikseminar. Aber es ist trotzdem nett, mal mit jemand anderem als meiner Mutter oder Schwiegermutter zusammen zu sein. Inge findet ihr Leben mit Samuel dufte. Alles läuft toll. Er ist
die
Bereicherung. Bei so viel Euphorie traue ich mich kaum zu sagen, dass mir oft die Decke auf den Kopf fällt, mich mein Kind sogar manchmal nervt und ich nicht sicher bin, ob ich zum Muttersein geboren bin. Also finde ich, Inge zuliebe und um meinen Ruf nicht zu ruinieren, auch alles toll.
Samuel David Konstantin hängt in einem Tuch vor Inges Bauch. »Körperwärme rund um die Uhr, das ist das A und O, Kinder müssen sich geliebt fühlen, sonst kann man es gleich vergessen«, plaudert sie munter vor sich hin, »wir tragen Samuel immer. Entweder Sebastian oder ich. Zur Not auch mal die Rita. Aber das ist natürlich eigentlich nicht gut. Eltern senden andere Signale, riechen auch anders. Und das mit deinem Kinderwagen, also, es geht mich ja nix an, aber das solltest du dringend überdenken. Die vereinsamt da ja völlig, deine Claudia. Wie soll die denn später ’ne funktionierende Beziehung führen? Da legst du
jetzt den Grundstein, denk dran, das erste Jahr ist entscheidend«, hält sie mir eine Erziehungsansprache. Ich bin baff. Claudia wird vielleicht vereinsamen, aber dafür wird ihr Samuel Muttersöhnchen oder Klammeraffe. Sind wir Kängurus, oder wer hat sich den Beutel-Tuch-Kram ausgedacht? »Alle Afrikanerinnen tragen ihre Kinder so«, erahnt sie meine innerlichen Abwehrmechanismen. »Weil sie mit den Händen die Krüge voll mit Wasser auf ihrem Kopf halten müssen, wir haben fließend Kalt- und sogar Warmwasser«, wage ich einen klitzekleinen Konter. Als heitere Gesprächskomponente, denn Gegenwehr bringt nichts. Menschen wie Inge reden einen sonst noch zu Tode. Ich kenne ihr missionarisches Gehabe ja noch zu gut aus dem Krankenhaus. Inge ist einer der wenigen Menschen, die ich kenne, die auch stundenlang über blockierte Därme und daraus entstehende Schäden sprechen können. Mit den Inges dieser Welt hat man immer das Gefühl, die Welt ist voller Fallen, und man macht grundsätzlich alles falsch. Außer man ist Inge und weiß Bescheid, oder man hört wenigstens auf Inge.
Der Tee ist heiß, das ist aber auch schon das Beste, was man über ihn sagen kann. »Hast du vielleicht einen Hauch Süßstoff«, bitte ich Inge. Sie schaut mich an, als hätte ich sie gebeten, jetzt auf der Stelle animalischen Fesselsex in Latexklamotten mit mir zu haben. Es folgt eine lange Abhandlung über Süßstoff an und für sich. Ende vom Lied: Sie hat nur Honig.
Das Komische am Muttersein ist, dass man sich sogar mit Frauen versteht, mit denen man sonst so gar nichts gemein hat. Die kleinen Kerlchen bringen Gemeinsamkeit. Eine
Woge der Solidarität schwappt
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