Frisch gemacht!
Käsemürbeteigschnitten. Schnöder Marmorkuchen gilt nicht wirklich
viel. Es ist ähnlich wie bei Spendensammlungen. Wo neben dem Namen noch die Summe steht und man damit die Mitspendenden zart unter Druck setzt.
Ich weiß nicht, ob das Sams warten kann, bis Thea fertig ist. »Thea, wir wollten noch zum Sams, ich trag mich gleich morgen ein«, unterbreche ich vorsichtig. Schließlich will ich Thea auch nicht komplett verärgern. Claudia mag sie nämlich. »Die ist doll nett«, hat sie schon kurz nach dem Kennenlernen verkündet. Kinder können so verblendet sein. Ich trage es mit Fassung. Belinda und Claudia stehen Hand in Hand da. Niedlich. Darf ich diese wunderbare Freundschaft wegen kleiner Befindlichkeiten Belindas Mutter gegenüber zerstören? Nein, Schnidt, bin ich streng mit mir. »Gehen wir jetzt«, betteln die zwei unisono. Wir fahren gemeinsam.
Die Aufführung ist ganz nett und dauert nur eine knappe Stunde. Viel länger schaffen es die Kinder auch nicht. Selbst bei einer Stunde muss mindestens ein Drittel zwischendrin mal aufs Klo oder dringend was trinken. Das mit dem Trinken ist kein Problem, denn Thea ist natürlich perfekt ausgerüstet. Großherzig bekommt auch meine Tochter was ab. Ich krame aus meiner Handtasche, von Christoph gerne spöttisch »Welt der Wunder« genannt, noch zwei angegammelte Maoam. Immerhin. Gleichstand. Thea war nicht zufrieden mit dem Sams. »Dieses passive Zuschauen ist doch nichts für Kinder«, hat sie direkt nach der Aufführung rumgenörgelt. Mir hat genau das gefallen. Beim so genannten Mitmachtheater habe ich jedes Mal richtig Stress. Weil Claudia eigentlich gerne hoch auf die Bühne will, sich aber nicht traut. Was dann dazu führt, dass
ich meinem Kind Ermunterungsparolen zuflüstere und sie sanft zur Bühne dränge. Am Ende steht sie meist heulend da. Weil sie sich eben doch nicht getraut hat und ihre Freundin Belinda beneidet. Denn Belinda traut sich immer. Ich bin dann hin- und hergerissen zwischen: Was soll’s, sie ist nun mal keine Bühnenschlampe oder Rampensau, wie man beim Fernsehen sagt, und einem latenten Schamgefühl, dass mein Kind nicht genug Selbstvertrauen besitzt, um den kleinen Schritt auf die großen Bretter zu wagen. Das mit dem Selbstvertrauen ist etwas, das mir Thea mal so ganz nebenbei untergeschoben hat: »Kinder, die ein liebevolles, kreatives Zuhause haben, machen mit. Andere, na ja, andere eben nicht.« Das hat gesessen. Ich bin schuld. Klar, wer auch sonst. Dabei war Claudia von Anfang an keine große Draufgängerin. Schon bei den ersten Sportstunden nicht. Wenn ich da nur dran denke:
»Heute ist Badetag«, wecke ich Claudia. Knapp vier Monate ist sie alt, und die erste Schwimmstunde ruft. Das Badetäschchen ist gepackt. Täschchen ist gut gesagt. Es sieht aus, als wollten wir zwei auswandern und nicht eben mal schwimmen gehen. Handtücher für Mutter und Kind, frische Windeln, Fläschchen, Babycreme, Fön …
Um 10 Uhr beginnt der Kurs: Mutter-Kind-Schwimmen mit E. Tatschler. Als könnten Väter nicht schwimmen. Wahrscheinlich nur die Anpassung an die Realität.
Es regnet. Auf dem Weg zum Auto werde ich so nass, dass ich aussehe, als hätte ich den Kurs schon hinter mir. Kinderwagen rein ins Auto, Claudia in den Maxi-Cosi-Autositz,
Badetasche auf den Rücksitz. Einfach so wegfahren wie früher, das gibt’s nicht mehr. Nur mit Handtäschchen auf dem Beifahrersitz. Was waren das noch Zeiten. Herrlich! Mein Täschchen und ich, frei, leicht und ungebunden. Jetzt sehen wir auf jeder Fahrt zum Supermarkt aus wie andere auf dem Weg in den vierwöchigen Italienurlaub. Ich fange schon wieder an, mich zu bejammern. Das muss ein Ende haben, Schnidt, ermahne ich mich in Gedanken.
Wir finden einen Parkplatz nahe am Klinikhallenbad. Der Kurs findet im Schwimmbad der Klinik statt, in der ich entbunden habe. Sofort habe ich ein merkwürdiges Ziehen im gesamten Unterleib. Die Psyche vergisst nicht. Jedenfalls meine. Angeblich ist ja schon nach der letzten Presswehe für die meisten Frauen jedwede Erinnerung perdu. Spätestens, wenn man mit dem Erpressten zu Hause ist, regiert nur noch das Glück, behaupten so genannte Experten. Meistens männliche – wen wundert’s. Das Erstaunliche ist ja, dass sich Männer auch mit Schmerzen super auskennen, die sie nie gehabt haben und auch nie haben werden. Als ich einem Bekannten von meinem Geburtstrauma erzählt habe, fing der doch glatt an, über seinen eingewachsenen Fußnagel von vor
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