Frisch gemacht!
Wasserphobikerin mit düsteren Vorahnungen? »Jetzt sind wir hier, Mama hat einen neuen Badeanzug, und jetzt wird auch geschwommen, mit Geschrei oder ohne«, ermahne ich meine Tochter. Das wäre ja noch schöner.
»Auf, auf, die Damen, das Wasser wartet nicht gerne«, kommt eine kernige Stimme vom Beckenrand. Wer ist denn der Typ? Der Bademeister? »Kennst du den?«, frage ich Inge. »Logo«, strahlt sie, »das ist der Ede, der Kursleiter. Ede Tatschler. Ein toller Typ. Und so verständig. Meine Freundin Jasmin war mal mit dem zusammen. Ich sage nur oh, là, là.«
Na, das fehlt mir ja gerade noch zu meinem Glück. Ein Oh, là, là-Mann, der noch dazu recht lecker aussieht, leitet
das Babyschwimmen. Auf die Idee wäre ich nie gekommen. Reflexartig versuche ich, meinen Bauch im lila Badeanzug etwas einzuziehen. Das Fett wehrt sich. Will nicht.
Nichts wie ins Wasser, möglichst bis zum Kopf, damit er das Elend nicht gleich ganz sieht.
Das Wasser ist tatsächlich piwarm. Dass es nicht gelb ist, wundert mich. Schließlich finden hier dreimal die Woche Babyschwimmkurse statt. »Nicht dran denken, nicht dran denken«, bekämpfe ich meinen leise aufkommenden Ekel. Claudia schreit weiter. Während ich sie auf Ede Tatschlers Anweisung ganz sanft durchs Wasser schwinge, habe ich Zeit, die anderen Frauen einer genaueren Musterung zu unterziehen. Du meine Güte, sind die alle schon dünn! Ein stummer neunköpfiger Vorwurf. Oder ist das hier der Kurs für Adoptivmütter? Normalerweise sagt man, Konkurrenz belebt das Geschäft, diese Art der Konkurrenz hat auf mich allerdings eine eher lähmende Wirkung. Ich bekomme schlagartig Hunger. Obwohl ich mühelos nur aus den Fettreserven meines linken Oberschenkels vier Monate überleben könnte. Nicht zu ändern.
Ede Tatschler ist symphatisch. Und hat lustige Löckchen, die sich über dem Bund seiner klassischen dunkelblauen Badehose kringeln. Löckchen, die Phantasien wecken, die quasi verheirateten Jungmüttern nicht erlaubt sind. Phantasien, die ich in letzter Zeit so gar nicht hatte. Die aber eigentlich Spaß machen. Unser Schwimmlehrer sieht aus wie ein gealterter Sportstudent, der sich erstaunlich frisch gehalten hat. Und magische Hände hat er. Findet jedenfalls meine Tochter Claudia. »Lassen Sie mich mal«, nimmt er mir Claudia, die seit der Umkleide am Stück schreit, ab.
Sanft legt er sie auf seine Hand, eine riesige braun gebrannte Hand, auch mit zarten Härchen, und schwingt sie hin und her. Sie mag es. Hebt ihr Köpfchen und sieht zum Fressen süß aus. »Ein hübsches Kind«, sagt er lächelnd, als er sie mir wieder übergibt. Er ist wirklich sehr sympathisch. Ich habe es doch gleich geahnt. Die anderen gucken ganz neidisch. 1 : 0 für mich. Claudia schneidet hier um einiges besser ab als ihre Mutter. Vom Anfangsgeschrei mal abgesehen. Mittlerweile wirkt sie ganz entspannt, und wenn das so weitergeht, hat sie in ein, zwei Jahren bestimmt schon ihren Rettungsschwimmer. Ob die Kinder hier, nach Beendigung des Kurses, auch so nette Aufnäher für die Badehose kriegen wie wir früher? Freischwimmerabzeichen, was war ich da stolz. Ich hätte es mir am liebsten auf die Stirn getackert.
Zwanzig Minuten dauert der Kurs. Am Ende müssen wir singen. Im Kreis laufen und singen. Wassertreten à la Kneipp. »Alle meine Entchen.« Was soll’s – ich wusste ja, dass es kein Thomas-Mann-Seminar für Fortgeschrittene ist. Und den Entchen-Text kann nun mal jede.
Das Anziehen hinterher dauert länger als das Schwimmen. Ich habe vergessen, einen zweiten Body mitzunehmen, die Windel will nicht so wie ich, und bis ich Claudia einigermaßen verpackt habe, bin ich am ganzen Körper so lila wie mein Badeanzug. Nahezu erfroren. Aber – erstens fallen meine neusten Krampfadern dadurch kaum auf, und zweitens bin ich eine Mutter und weiß, was sich gehört. Besser ich friere als mein kostbar Erpresstes.
»Hast du noch was vor, sonst komm doch auf einen Roibuschtee mit zu mir«, lädt mich Inge ein. Wieso eigentlich
nicht? Ob ich mich mit Inge oder allein langweile, ist wurscht. »Gerne«, antworte ich und lasse mir schnell noch erklären, wo Inge wohnt. Ede verabschiedet uns, und ich schenke ihm noch mal eines meiner bezauberndsten Lächeln. So angezogen fühle ich mich doch erheblich besser. Er lacht zurück. Ich glaube, er findet mich gut. Wie der guckt. Wow. Da geht man für die Kindsmotorik schwimmen und heimst nebenbei Komplimente ein. »Geht doch, Schnidt«, denke ich mir,
Weitere Kostenlose Bücher