Frisch gemacht!
sieben Jahren zu sprechen. Fast hätte er, an der Stelle, wo der Nagel gezogen werden musste, das Heulen angefangen. Und da sollen wir Frauen, wir Mütter, direkt nach der Entbindung unser Hirn zum Vergessen bringen.
Ha, ha, kann ich da nur sagen. Ich habe jede einzelne Wehe, das Gepresse und auch den Schmerz noch sehr gut im Kopf, und ich glaube nicht, dass mir diese grausige Erinnerung
auf einmal abhanden kommt. Die einzige Möglichkeit wäre Alzheimer.
Der tolle Parkplatz ist im Parkverbot. Egal, hätte noch schlimmer kommen können. Halteverbot zum Beispiel oder Behindertenparkplatz. Ich parke nie, wirklich nie, auf Behindertenparkplätzen. Das bring ich einfach nicht. Wäre mir zu peinlich, wenn mich einer erwischt. Obwohl Männer in solchen Dingen wesentlich weniger Schamgefühl haben. Die kennen ja auch nichts und stellen sich mit Vorliebe auf Frauenparkplätze. Wenn ich einen dabei erwische, dann ist er dran. Da werde ich zur Furie. »Haben Sie dermaßen viele weibliche Anteile, sind Sie operiert oder warum parken Sie hier?«, keife ich bei solchen Gelegenheiten gern mal aus dem Seitenfenster. Komischerweise interessiert das die Frauenparkplatzparker überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die sind noch pikiert und brüllen zurück. Meist was in der Richtung: »Was geht dich das an, alte Kuh.« Sehr originell. Christoph geniert sich aufs Schlimmste, wenn ich so was mache. Er ist jedes Mal kurz davor, sich ins Handschuhfach zu verkrümeln, aber das ist mir dann auch egal. Ich war mal
Emma
-Abonnentin, und die Frauenbewegung braucht mich, da kann ich auf Einzelschicksale mit rotem Kopf an meiner Seite keine Rücksicht nehmen.
Das Parkverbot ist mir jetzt aber ehrlich gesagt schnuppe. Ich habe wahrlich keine Lust, mit Maxi-Cosi und Monster-Badetasche noch sieben Kilometer weit zu laufen. Engagement kennt auch Grenzen. Außerdem gehen wir ja zum Sport, und da soll man sich vorab nicht völlig verausgaben.
In der Umkleide herrschen subtropische Temperaturen. Und es ist voll. Voll mit Müttern und Kindern. Ein Geschnatter wie in einer Vogelvoliere. Na dufte, hier scheinen sich alle zu kennen bis auf mich. »Ich bin Andrea Schnidt«, versuche ich eine erste Kontaktaufnahme, aber keine Reaktion. »Hallo«, probiere ich es noch einmal etwas lauter, »ich bin Andrea Schnidt.« Geschafft, alle gucken. Eine ganz besonders, und da schießt sie auch schon hinter einer Spindtür hervor. Rennt auf mich zu und schließt mich in ihre Arme. Inge. Inge Müller-Wurz, meine Eso-Krankenhausbettnachbarin. Inge, die am Waschbecken lag, die Inge mit dem schönen Ehemann Sebastian und dem mickrigen Sohn. Samuel David Konstantin. Inge war im Krankenhaus nicht das, was man meine beste Freundin nennen könnte. Aber besser eine Bekannte als nichts. Wir herzen uns ab, als wären wir Zwillinge, die nach der Geburt getrennt wurden und sich nun in einer dieser unsäglichen Überraschungsshows wieder treffen. »Ja, das ist lustig«, meint Inge, »so schnell sieht man sich wieder. Ich hätte ja nie gedacht, dass du hier bist. Nee, so was.«
Ich weiß zwar nicht, warum es so irre lustig und erstaunlich ist, dass ich hier bin, aber sei’s drum. Ihr Sohn hat sich nicht großartig verändert. Er war eines dieser mickrigen Babys. Die, wenn man gemein ist, ein bisschen aussehen wie Tiefkühlhühnchen. Ist mir schon damals gleich aufgefallen. Er ist immer noch mickrig. Und pickelig. Wahrscheinlich muss er schon jetzt selbst geschrotetes Müsli zum Frühstück essen. Armer Kerl. »Ist er nicht irre ausdrucksstark?«, fragt mich Inge. Ausdrucksstark! Haben die Pickelchen eine Botschaft, oder was meint die? Ist es Blindenschrift? Er, in Wirklichkeit eine lebende Kurzgeschichte? Ich nicke
freundlich. Ohne Kommentar. Es fällt mir schlicht keiner ein. Jedenfalls keiner, der unsere zart aufkeimende Freundschaft nicht sofort abrupt beendet hätte.
Wir sind zehn Frauen mit ihren Kindern. Tatsächlich, kein einer Kerl ist dabei. Wie die das immer schaffen, sich vor so was zu drücken. Hut ab, das muss man erst mal hinkriegen.
Ich bin schnell umgezogen, aber ratlos, was ich mit Claudia machen soll. »Windel aus, Unterwäsche wieder an«, erkennt eine Kursteilnehmerin meine Unsicherheit. Aha. »Damit kein Kacka im Wasser landet«, fügt sie mit einem Grinsen erklärend hinzu. Schlau, sonst könnten wir ja gleich in einer Kläranlage schwimmen.
Claudia schreit mal wieder. Ist sie hyperaktiv oder nur eine Schreiliesl oder vielleicht eine
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