Frisch gemacht!
Kerzen gehalten. Es riecht auch etwas streng. Sofort ist alles beendet. Der Mann an meiner Seite rennt zum Badezimmer und wimmert vor sich hin: »Mein Zeh, mein Zeh, total verkohlt.« Das allerdings ist total übertrieben. Der Fußzeh ist ein bisschen rot, aber er stellt sich an, als wäre er frisch frittiert. »Ich kann nie mehr Sandalen tragen«, jammert er. Als wäre das ein Drama, wenn Männer keine Sandalen tragen können. Er gebärdet sich, als wäre er Fußmodel und seine Einnahmequelle mit einem fürchterlichen Unfall für immer zunichte gemacht. »Wenn mir der Zeh
abfällt, ach, hätte ich doch bloß die Socken angelassen«, geht das Lamentieren weiter. Männer, die zum Extremjammern neigen, darf man keinesfalls noch unterstützen. »Was soll denn da Reinhold Messner sagen«, herrsche ich ihn an, »der kann Socken in Kindergröße tragen, so wenig Zehen hat der noch. Können wir jetzt weitermachen?«, schiebe ich freundlich hinterher und kraule ihn ermunternd an den entscheidenden Stellen. »Ich habe tierische Schmerzen, und du, du denkst nur an das eine, das ist ja wohl unglaublich«, meckert er mich an. »Lass jetzt los.«
Na toll. Da überwinde ich mich, trotz Traumatisierung der herben Art, und der Gnädigste dreht kurz vor dem Ziel ab und erklärt die Vorstellung für beendet. »Mist«, schimpfe ich, und dann fängt Claudia auch noch an zu schreien. Damit ist die Nacht gelaufen. Christoph kann leider nicht mehr aufstehen und denkt stundenlang darüber nach, ob er doch besser in die Notambulanz fährt, ob er mit dem Zeh überhaupt fahren kann, ob er so arbeiten gehen kann usw., und Claudia hat beschlossen, dass die Nacht beendet ist. Mein Schwerverletzter kann sich selbstverständlich nicht kümmern. Sex hat eben seinen Preis. Selbst unvollständiger.
Christoph humpelt vier Tage lang.
Kerzen im Schlafzimmer sind ab jetzt gestrichen. Man sieht ja, wo das mit der Romantik hinführen kann. Männer und Romantik: Es gibt Sachen, die sind schlicht nicht kompatibel.
Dienstag, 7 . 30 Uhr
»Ich will keine Cornflakes«, plärrt Claudia. Seit Wochen will sie nichts außer Cornflakes, und jetzt das. Ein bisschen beständiger könnten Kinder doch sein. Das würde das Mutterleben enorm erleichtern. »Gut, mein Schatz, dann macht die Mami dir ein Brot mit Marmelade.« »Nein. Ich will Nutella.« Nutella ist leider aus. Außerdem gehört Nutella nicht zu den Lebensmitteln, die Kinder essen sollten. So viel habe ich in den drei Mutterjahren immerhin gelernt. »Voll mit Zucker und Kalorien«, hat mir Müsli-Inge verklickert. Eine wahnsinnig neue Erkenntnis. Aber wie soll man seinem Kind erklären, dass Papi jederzeit zentnerweise Nutella essen darf, es selbst aber keinesfalls. Schwierig. »Wir haben keine Nutella mehr, Claudia, es gibt Erdbeermarmelade oder Schinken«, erkläre ich meiner Tochter die Sachlage. Mit der Ernährung war das schon immer so eine Sache. Direkt nach dem Krankenhaus war, jedenfalls theoretisch, alles leicht.
Babys trinken. Feste Nahrung gibt’s noch nicht. Also Milch, Milch und wieder Milch. Dazwischen höchstens mal Tee. Selbstverständlich ungesüßt, denn wer will schon ein Kleinkind mit braunen Stummelzähnchen. Sehr abwechslungsreich ist das Nahrungsprogramm nicht, aber übersichtlich. Ich bin komplett ausgerüstet. Vorbereitet auf jede Widrigkeit. Habe einen Einkaufsmarathon in einem Babygroßmarkt gemacht. Das Resultat: Fläschchen aus Glas
und Plastik mit lustigen Janoschfigürchen und ohne, der dazu passende Fläschchenständer, auch mit Dekomotiv, Sauger aus Kautschuk und Silikon, Flaschenbürstchen länglich und gebogen besorgt. In meiner Küche ist kaum mehr Platz. Das größte Stück ist der Sterilisator. »Aus hygienischen Gründen für die engagierte Mutter unverzichtbar«, hat mir die Verkäuferin im Baby-Wunderland das Gigateil ans Herz gelegt: »Nur so wird alles wirklich keimfrei, und die lieben Kleinen bekommen keine Infektionen. Jede nimmt den Sterilisator.« Wenn ihn jede nimmt, kann ich ja wohl nicht ausscheren. Bei dem Pathos in der Stimme der Verkäuferin. Man muss nicht gleich als Außenseiterin auffallen. Und für 45 Euro vor den Schrecken der bösen Keimwelt geschützt zu sein, ist doch fast ein Schnäppchen. Wo ich schon mal da bin, kaufe ich eben noch einen Babybadeeimer (den auch jede nimmt), ein Schaffell (das unverzichtbar ist), lustige Schnuller (man will ja auch was fürs Auge), Bettwäsche für den Kinderwagen, fürs Bett und eine kleine
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