Frisch gemacht!
schafft, dann Sie«, gebe ich alles. Herr Lorenz von der Requisite ist anfällig für Schmeicheleien. Welcher Mann nicht? Ich lege noch was drauf: »Sie werden doch nicht zu Unrecht Zauberer genannt, Herr Lorenz. Die Teile können ja aus Styropor sein oder aus Sperrholz. Die sind ja nur für eine Sendung.« Er knoddert was von wegen: »Für ’ne Sendung, die keiner guckt«, lenkt dann aber ein. »Weil Sie es sind, Frau Schnidt, für Ihrn Herrn Moderator tät ich mir kein Bein ausreißen. Ich mach’s für Sie. Eine Hand wäscht die anner.« Ich habe den Lorenz mal in einer Produktionssitzung vor Will in Schutz genommen. Da waren in der Sendung zwei Metallplatten abgekracht und kurz vor der deutschen Hoffung auf dem Volksmusiksektor, Frau Bianca Setzler, auf den Boden geknallt. Der Will ist bald ausgerastet. Hat dem Lorenz mit Frührente und allem gedroht. Dabei war es der Regisseur, der kurz vor Setzlers Auftritt die Schmuckplatten verschoben hat. Das habe ich dann todesmutig in der Sitzung erwähnt. Worauf mich
der Regisseur bald gesteinigt hätte. Aber ich musste mich zwischen beiden entscheiden, und für meine Arbeit ist ein guter Draht zur Requisite wichtiger als das Wohlwollen des Regisseurs. So ist das hier mit dem Arbeiten. Man muss sich entscheiden, gibst du mir, geb ich dir. Anders läuft es nicht. Wenn man das mal verstanden hat, dann geht es. »Er macht es«, kreische ich stolz rüber ins Sitzungszimmer. »Wir kriegen Europa.« Ich beschaffe in Minuten einen Kontinent, und niemand ist sonderlich beeindruckt. Von mir wird einfach erwartet, dass die Sachen funktionieren. »Kreativ kann man deine Arbeit ja nicht nennen, mehr so Organisationskram«, hat mir Tim mal gesagt. Na was soll’s, ich arbeite für Geld. Dankbarkeit und Lobeshymnen habe ich mir abgeschminkt.
Mittlerweile ist es 14 Uhr, und der Feierabend ruft. Überstunden für die undankbare Bagage sind heute weiß Gott nicht drin. »Ich mach mich auf den Weg, bis morgen«, verabschiede ich mich. »Die hat vielleicht einen flotten Lenz«, höre ich Will noch sagen, aber ich lösche die Äußerung direkt von meiner Festplatte. Bis der seinen Hintern aus dem Bett hebt, habe ich schon die Hälfte meines Tagewerks erledigt. Aber: Selbst wenn ich mich jetzt aufrege, wird das seine Sicht nicht verändern. Nix wie raus hier. Der Kindergarten ruft.
»Heute gab es was mit lecker Fleisch, richtigem Fleisch«, kreischt mir Claudia begeistert zur Begrüßung entgegen. Erstaunte Blicke der anderen Mütter und Erzieherinnen. Man kann in ihren Gesichtern lesen: »Och, die ärmste Kleine, kriegt daheim nix Gescheites zu essen. Wie weit muss es sein, wenn sich ein Kind schon über Fleisch freut.« Ich
bin kurz davor, den heimischen Speiseplan der letzten Wochen zu kopieren und im Kindergarten auszuhängen. Zur Vitamin- und Nährstoffanalyse. »Schatz, auf geht’s, wir wollen doch heute noch auf den Spielplatz«, locke ich Claudia. Vorher gehen wir einkaufen. Zum Metzger. Ich bin anfällig für Beschwerden, selbst wenn sie so subtil vorgetragen werden wie von meiner Tochter. Auch die Zutaten fürs Kohlsüppchen vergesse ich nicht. Muss ich heute Abend unbedingt noch kochen. Für die Familie werfe ich dann einfach ein Bröckchen Fleisch rein.
Auf dem Spielplatz herrscht Hochbetrieb. Thea ist noch nicht da. Belinda wird noch früherzogen. Musikalisch. »Für die Entwicklung unabdingbar«, hat mir Thea erklärt. Ebenso wie Kinderturnen und Kinderschwimmen. Nicht zu vergessen: Frühenglisch. Belinda hat einen Terminkalender, der mir Schwitzringe verursacht. Vier Nachmittage sind verplant. Da Belinda mit ihrem Stützrädchenfahrrad selbstverständlich nicht selbst fahren kann, ist Thea gefordert. Rein in den Kombi, raus aus dem Kombi. Ihr Aufkleber hinten drauf sagt alles: »Muttitaxi«. Mir ist das zu viel. Zu viel Stress. Ich bin doch nicht die Agentin meiner Tochter. »Du wirst sehen, was dabei rauskommt«, hat mich Thea schon mehrfach ermahnt, »jetzt werden die Grundsteine für das gesamte Leben gelegt«. Dann erziehe ich eben nach Fertigbaumethode. Trotzdem habe ich einen latenten Anfall von schlechtem Gewissen.
»Torben-Hase, nicht dem Mädchen den Sand in die Haare schütten, das ist nicht schön«, schreit eine Mutter rüber zum Sandkasten. Das Mädchen ist meins. Sehr empfindlich
ist Claudia nicht. Sie schüttelt sich kurz und knallt dann dem Torben-Hasen ihre Plastikschippe auf den Kopf. Torben-Hase fängt grauenvoll an zu weinen. Richtiggehend
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