Frisch gemacht!
nachfragen.« »Ganz wie du meinst, aber wenn Claudia leidet, werde ich sauer«, hat er dann noch Bedingungen gestellt. »Bleib du doch daheim«, schreie ich in der Hochphase unserer Auseinandersetzung, aber das findet er nur lustig. Ein witziger Gedanke, mehr nicht. Dass mittlerweile eine Menge Männer Erziehungsurlaub nehmen, interessiert ihn nicht. »Wer hat denn bei uns die bessere Ausbildung, soll ich nach jahrelangem Studium Windeln wechseln?« Ja, warum eigentlich nicht? Meine Eltern und Schwiegereltern sind entsetzt. Aber nicht etwa über Christoph. Nein, sie werfen mir Egoismus und Materialismus vor. Inkonsequent findet meine Mutter mein Handeln. »Wenn man Kinder hat, bleibt man eben zu Hause. So was muss man sich vorher überlegen. Alles kann man eben auch nicht haben.« Warum eigentlich nicht? Weil sie auch nicht alles hatte? Haben die meisten Väter nicht auch alles? Inge, meine Schwiegermutter, ist weniger streng als komplett verständnislos: »Jetzt hast de des süße Butzel und gibst es wildfremde Mensche, nur um en paar Euro zu verdiene. Es gibt doch nix Schöneres, als mit so em Klaane daheim zu sein. Un wer weiß, ob die aach rischtisch uffpasse. Also ich hätt kaane ruhige Minute, wenn ich mein Kind ins Heim gebe würd.« Ins Heim! Seit wann ist eine Kinderkrippe ein Heim? Ich präsentiere der Familie Studien darüber, dass Kinder, die mehrere Bezugspersonen haben, aufgeschlossener werden. Sich gut entwickeln. Ihnen der frühe Umgang mit anderen Kindern ein
Leben lang weiterhilft. Ihre soziale Kompetenz steigert. Inge überzeugt das kein bisschen: »Mein Bub war rund um die Uhr an meinär Seite, un ich bitt disch, Andrea, hat der sich schlecht entwickelt?« Sie bietet mir sogar an, regelmäßig auf Claudia aufzupassen. Nett von ihr, aber ich will, dass die Kleine unter Kindern ist. Ihr Sozialverhalten trainiert und Freunde gewinnt. Und vielleicht ab und an auch hochdeutsche Laute hört. »Alles, Andrea, aber net in die Kripp«, bearbeitet mich Inge wieder und wieder. Meine Mutter sorgt sich eher um Claudias Umgang. »Man weiß doch, was da für Leute sind in diesen Krippen«, sie verzieht angeekelt ihr Gesicht, »Andrea, ich bitte dich, so was prägt.« Wenn man meine Mutter so hört, hat man das Gefühl, eine Adelige spricht über den sozialen Abschaum. Die Gosse in der Krippe.
Doch – alles umsonst – ich bleibe hart und mache es trotzdem. Ich gebe Claudia in die Kinderkrippe.
Zwergenaufstand ist eine Kinderkrippe mit klarem Reglement. Elternbeteiligung und Engagement werden nicht nur gern gesehen, sie sind Pflicht. Einmal alle vierzehn Tage muss reihum gekocht werden. Jede Woche zwei Stunden Putzdienst. »Kein Thema«, findet Christoph. Ich denke mir auch erst mal nicht viel. Einen Topf Nudeln mit Hackfleischsauce bekomme ich sicherlich hin. Und alle Kinder mögen Nudeln. Gekocht werden muss daheim. Die erste Folgeanschaffung ist ein gigantischer Topf. Der Transport in die Krippe gestaltet sich schwierig. Schnallt man Töpfe an? Besser wäre es gewesen, denn ein Teil der Hackfleischsauce schwappt schon in der ersten Kurve über den Beifahrersitz. Noch Wochen später tummeln sich räudige Hunde
vor meinem Auto. Ekelhaft. Und die Hackfleischsauce ist noch nicht mal ein Renner. Im Gegenteil. Ich ernte strenge Blicke und eine kleine Ermahnung. »In Zeiten von BSE ist Fleisch hier nicht gefragt«, teilt mir eine der Erzieherinnen mit. Diskussion nicht erwünscht. Gut, ich bin ja lernfähig. Dann halt Gemüse. Nudeln mit Pesto, Nudeln mit Brokkoli, Nudeln mit Möhren. Gemüse ist aber nicht Gemüse, und Nudeln sind nicht gleich Nudeln. Ich lerne bald mehr als meine Tochter in dieser Krippe. »Wenn möglich, sollte das Gemüse aus biologisch-dynamischem Landbau kommen«, wird mir mitgeteilt und »wir bevorzugen Vollkornnudeln«. Vollkornnudeln. Ich mag Vollkornbrötchen, aber Vollkornnudeln sind nicht mein Ding. Die schmecken irgendwie nicht. Jedenfalls nicht so, wie Nudeln schmecken sollen. »Was soll’s«, meint Christoph, »ist doch wurscht, du musst es doch nicht essen.« Aber meine arme Tochter.
Einmal im Monat ist Elterntreffen. Pflichtveranstaltung. Eine mühsame Angelegenheit. Unter drei Stunden läuft da nichts. Beim«Zwergenaufstand« wird noch die Wahl des Toilettenpapiers demokratisch beschlossen. Wie viel Lagen, zwei, drei oder vier und recycelt, ja oder nein. Da essen die Vollkornnudeln, kaufen aber chemisch gebleichtes Papier. Ich persönlich erbringe Umwelt und Ökoopfer
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