Frisch gemacht!
Viertelstunde später steht Will wieder im Raum. »Wegen der Getränke habe ich umdisponiert, es ist besser, eine Frau serviert die«, mit diesen kühlen Worten serviert er Oskar ab. Rachsüchtiger Despot. In null Komma nichts erstickt eine hoffnungsvolle Fernsehkarriere im Keim. »Und«, fragt er scheinheilig bei Oskar nach, »und jetzt?« Was erwartet Will? Devotes Winseln, Bitteln und Betteln um einen Minutenauftritt als Getränkeboy. Oskar bleibt cool: »Kein Problem, Will, wie du meinst. Sandra und ich haben jetzt aber noch alle Hände voll zu tun.«
Oskar, der neue Held des Alltags. Sandra grinst immer weiter, und Will, ganz beleidigte Diva, verlässt nach der klaren Niederlage den Ort des Aufstandes. Sandra und Oskar lachen. Neben Oskar wird sogar Sandra keck. Blüht richtiggehend auf. Ich glaube fast, ich muss sie erinnern, dass er nun mal weniger auf Mädels steht. Nicht, dass da falsche Hoffnungen heranreifen. Kurz vor Feierabend ruft die Tritsch an. Anett Mocks Agentin. Diese Superzippe. Möchte Frau Mock jetzt auf Rollschuhen kommen, per Segelboot den Rhein runterschippern oder was gibt’s diesmal? Nichts dergleichen. Frau Trisch möchte nur noch mal erinnern, dass Frau Mock in ihrer Garderobe frisches Obst und Sushi braucht. Ich verspreche alles. Frau Tritsch sagt nur bedeutungsvoll: »Wir werden sehen.« Werden wir. Leider wirklich, denn Frau Tritsch begleitet Anett Mock zu ihren Auftritten. Nicht, weil die allein zu ängstlich wäre, sondern weil Prominente ab einem gewissen Grad nie allein
anreisen. Das würde ja so normal aussehen. Wie bei Herrn und Frau Jedermann. Wichtig wird man durch Agenten. Außerdem kann man dann hübsch das Good Cop-Bad Cop Spiel veranstalten. Die Prominenten machen einen auf zuckersüß, und die Agenten nölen im Hintergrund rum. So gelten die Promis bei allen als irre sympathisch, und die Arschkarte haben die Agenten. Bestimmt ein ätzender Job. Agentin von lauter Willi Wichtigs. Mir langt ja schon der eine. Wenn man Tag für Tag mit diesem Pack zu tun hat, muss das das Grauen sein. Aber so, wie die am Telefon abnervt, kann ich nicht noch Mitleid mit ihr haben. Das geht dann wirklich zu weit. Ich bin gespannt, wie die im realen Leben ist. Samstag werde ich es wissen. Obwohl die Kohlsuppe draußen ist, rumort es in mir weiter. Da habe ich mir ja was Feines eingefangen. Wenn ich jetzt auch noch Punkte irgendwo bekomme, weiß ich immerhin, von wem.
Heute sind die Abläufe schon beim zweiten Mal so, wie die Herrschaften der Redaktion es wünschen. Welch ein Glückstag. Ich darf heim. Hurra.
Claudia sieht tatsächlich aus wie eine Hügellandschaft. Die meisten Pusteln sind auf ihrem Gesicht. Sabine lacht und sagt nur trocken: »Von wegen. Guck dir mal den Hintern deiner Tochter an, Jennifer Lopez würde sich aufhängen.« Tatsächlich: Der Po von Claudia sieht aus wie ein Streuselkuchen. Und unser Wohnzimmer wie nach dem Einfall einer Horde von Kleinkindern. Sabine kann anscheinend sehr schön spielen, aber sehr schlecht wegräumen. Sie sieht meinen entsetzten Blick: »Ich dachte, du kommst später. Außerdem, geht Amüsement nicht über Ordnung?« Ich
nicke und sage artig danke. Hardcorespielen einen ganzen Vormittag lang, das kann nicht jeder. Als sie schon in der Tür steht, wage ich zaghaft den Versuch, sie auch für den morgigen Vormittag zu gewinnen. Wo sie jetzt so schön eingespielt ist. »Schau mal, jetzt bist du eh wahrscheinlich infiziert, da kommt es doch auf ein paar mehr Viren nicht an. Hättest du nicht Lust, morgen noch mal für fünf, sechs Stündchen vorbeizuschauen? Wo ihr zwei doch so viel Spaß hattet?« Sie kann sich fast nicht mehr halten vor Begeisterung. Auch Claudia jauchzt schon. Aber – zu früh gefreut. Sabine und Mischi, ihr Liebster, fahren morgen gemeinsam shoppen. Nach Wiesbaden. Mit anschließendem Lunch beim Nobelitaliener Luigi Farfalli. Ich verstehe, dass ein Krankensitting dagegen an Attraktivität etwas abstinkt.
Was die Punkte bedeuten, sagt mir der Kinderarzt. »Frau Schnidt, das sind eindeutig die Windpocken. Ich gebe Ihnen was gegen den Juckreiz – und halten Sie Claudia von anderen fern, bis der Schorf von den Pusteln abfällt. Dann ist die Ansteckungsgefahr rum«, erklärt mir Dr.Hiller. Pustellotion ist was Tolles, Handschellen wären besser. Kaum drehe ich mich von Claudia weg, ist sie schon am Kratzen. Mein »Kind, du kriegst fiese Narben und wirst dich später sehr ärgern«-Geschwätz lässt sie vollkommen
Weitere Kostenlose Bücher